: La Repubblica
■ Rolando Monteperelli, Redaktionskoordinator, Rom
Rolando Monteperelli hat zusammen mit Chefredakteur Eugenio Scalfari die Zeitung 1976 aus der Taufe gehoben. 'La Repubblica‘ gehörte ihm - als einzige italienische Tageszeitung - bis Anfang des Jahres auch. Dann wurde sie, zusammen mit den Anteilen der „Espresso AG“ an den Mondadori -Verlag verkauft, dessen Eigentümer der Großindustrielle Carlo De Benedetti (Olivetti) ist. Scalfari sitzt aber weiter dem Aufsichtsrat vor.
Die Verkaufsauflage (zu 85 Prozent Kiosk) betrug 1988 tagesdurchschnittlich 770.000; Freitag (wo die Illustrierte beiliegt) 997.000 Exemplare. Der Umfang variiert von 48 bis 52 Seiten, dazu insgesamt drei wöchentliche Beilagen (Ökonomie, Literatur, Satire) sowie zwei wöchentliche Zeitschriften, beigelegt am Freitag (bei erhöhtem Preis) 'Venerdi‘, und am Samstag, da jeweils regional, 'Trovaroma‘, 'Trovafirenze‘ und so weiter. Mitarbeiter: 130 in der Redaktion, 200 administrative. Zwölf Lokalredaktionen, ein Dutzend Auslandskorrespondenten (zwei in New York, zwei in Washington, zwei in Moskau, jeweils einer in Paris, London, Bonn; Sonderkorrespondenten). Einnahmen zu 53 Prozent aus der Werbung.
„Unsere Zeitung hat vor allem im politischen Raum ihre große Bedeutung. Besonderes Gewicht hat bei uns die politische Berichterstattung. Normalerweise haben wir zunächst einen innenpolitischen Block von sieben bis neun Seiten, dann folgt eine Meinungsseite mit zwei Kommentaren sowie einer Zahl Leserbriefe, dann ein außenpolitischer Block von sechs bis acht Seiten, danach dann die Chronik, also Tagesereignisse unpolitischer oder halbpolitischer Art, wiederum sechs bis zehn Seiten. Daran schließt sich die Kultur an, die allerdings am Samstag von sechs auf zehn oder mehr Seiten wächst, je nach Anlaß. Dann der Sport, der am Dienstag - wir erscheinen montags nicht - besonders umfangreich ist, danach die Regionalseiten und schließlich, sechs bis acht Seiten, Wirtschaft.
Doch es kann auch anders kommen: Große Ereignisse, etwa Gipfelkonferenzen der Supermächte oder auch Parteikongresse im Inland, erhalten auf den Seiten zwei bis fünf möglicherweise einen Sonderblock, und danach erst setzt die 'reguläre‘ Innenpolitik ein. Reportagen nach Bedarf: Ich würde sagen, so etwa ein Fünftel unserer Beiträge im aktuellen Teil sind Reportagen. Nichtredaktionelle Autoren spielen bei uns eine große Rolle, und zwar nicht nur im Kulturteil wie bei allen Zeitungen, sondern vor allem im Kommentarteil. Mehrmals wöchentlich publizieren wir, sofern wir sie erhalten, Beiträge externer Autoren zu anstehenden Themen. Wobei es uns nur auf deren Expertentum in der Sache ankommt, nicht darauf, ob sie auf unserer Linie liegen.
Bilder sind für uns sehr wichtig: Wir beschäftigen insgesamt zwölf Layouter, die Tag für Tag das optische Aussehen unserer Zeitung einrichten und dabei vor allem eine sehr präzise Gewichtung von Bild und Text vornehmen. Faustregel: keine Seite ohne Bild; sogar im Kommentarteil ist eines - eine Karikatur.
Unsere Kollegen haben weitestgehende Schreibfreiheit; das einzige, was von ihnen verlangt wird, ist größtmögliche Unabhängigkeit von politischen Parteien, denen sie eventuell angehören. Aus dieser Grundeinstellung heraus publizieren wir in großer Anzahl namentlich gezeichnete Artikel, selbst bei Kurzmeldungen: Das soll jeden Journalisten persönlich verantwortlich machen für das, was er schreibt. Diese Freiheit geht bei uns so weit, daß die Chefredaktion Mitarbeitern, die mit einem bei uns erschienenen Artikel nicht einverstanden sind, in aller Regel das Recht einräumt, am Tag darauf ihre Version der Dinge ins Blatt einzurücken.
Was wir sonst noch verlangen, ist natürlich pünktliche, zuverlässige Arbeit, Genauigkeit beim Verfolgen des Themas und eine solide Vorbereitung bezüglich der Argumente.
Die wichtigsten Themen? Frieden, Ökologie und, speziell bei uns in Italien, die sogenannte „moralische Frage“, die Wiedergewinnung einer einigermaßen intakten politischen Moral, an der es - nicht nur bei uns - massiv fehlt.
Tabus? Wir haben uns schon einige Male aus der Sensationsmache etwa bei spektakulären Selbstmorden, bei grauenhaften Taten soweit ausgeblendet, daß wir von Anfang an nur mit Hintergrundelementen gearbeitet haben. Tabus gibt es nicht, wenn Sie damit Themen meinen; es gibt aber bei uns Stil- und Abhandlungsgebote, die Verboten gleichkommen, so etwa wollen wir auf keinen Fall Menschen mit unseren Artikeln quälen, sowieso schon Zerstörte und Minderprivilegierte wie etwa Frauen, Minderheiten, Behinderte nicht noch weiter einschränken oder verletzen. Sympathisieren mit Faschisten lassen wir nicht zu.
Unsere Leser sind relativ jung - in Italien heißt das, zwischen 20 und 40 - und kommen überwiegend aus Schichten mit gehobener, zum großen Teil akademischer Bildung. Darin sind natürlich die Yuppies mit eingeschlossen.
In der Berichterstattung hat Europa für uns weitgehende Präferenz; doch davon lassen sich, und das ist auch gut so, viele außereuropäische Themen wie Hunger in der Welt, Waffenlieferungen, Imperialismus et cetera nicht trennen. Dazu kommt die Bindung an die USA, und, für uns Italiener, die oft großen Verbindungen auch noch durch die Auswanderungwellen auf den gesamten amerikanischen Kontinent, was auch von dort Berichterstattung erfordert.
Schwächen des Journalismus? Daß er durch immer schnellere technische Mittel die Gehirne der Journalisten oft bis an die Grenze und mitunter schon darüber hinaus belastet und so oft Geschwindigkeit und Schnellschüsse vor Präzision rangieren.“
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