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Archiv-Artikel

LONG PLAYING RECORDJukebox - Der musikalische Aszendent

Ordnung schaffen in den Patchworkfamilien des Pop

Am Anfang ist es einfach. Man packt seine Lieder und Platten irgendwohin, schaufelt die Neuzugänge zu dem Haufen und wartet geduldig, bis man den Überblick verloren hat. Bis zu diesem Moment hat man einfach nur Musik im Haus, für welche Gelegenheit auch immer. Von einer Sammlung aber ist erst zu sprechen, wenn man Ordnung in die Sache bringen will.

Ab hier wird es interessant. Aus der Buchhaltung mag sich das Alphabet als Ordnungssystem anbieten, das tatsächlich unbestechlich ist und halt auch seine Schwächen hat. Wohin etwa sollen die Lieder und Platten mit den chinesischen Schriftzeichen und der thailändischen Kringelschrift, die es irgendwie in den Bestand geschafft haben? Nach Farbe sortierte Buchrücken machen sich an der Wand hübsch konzeptionell. Für Platten ist das keine Lösung.

Am besten legt man seine Sammlung an wie einen gut gepflegten Garten, schaut, was zusammenpasst und was nicht. Nicht jedes Kraut verträgt sich. Anderes harmoniert oder kennt sich wenigstens nicht nur vom Sehen, und schon ist man in der Struktur der Sippe, der Familie, beim Sortieren seiner Plattensammlung. Verblüffend genau bildet sich im Feld der Rockmusik dabei die moderne Existenzform der Patchworkfamilie nach. Denn eigentlich ist der Rockmusiker in seiner Arbeit eher monogam, er konzentriert sich meist auf eine Band, die irgendwann dann doch umgeformt wird, die Mitglieder wechseln, die Band wird aufgelöst, eine neue Band-Beziehung muss her. Und nebenher gibt es eher mäßig promiskuitiv Flirts mit Seitenprojekten, aber lange nicht so hemmungslos partnerwechselnd wie im Jazz (Jazzplatten zu sortieren, ist tatsächlich die Hölle).

Ein prima Beispiel in einer so sortierten Plattensammlung ist das musikalische Schaffen von Howe Gelb mit Giant Sand. Seit Mitte der Achtziger wird dabei auf dem Spielfeld der Americana-Musik alles ausprobiert, was ans Herz geht, Country, das Erbe von Lee Hazlewood, staubtrockener Wüstenrock oder Zwiesprachen mit dem brennenden Dornbusch wie sonst nur ein Neil Young. Neben den Platten von Giant Sand als Zentrum dieses Universums stehen die Seitenprojekte, das Album der wunderbaren OP8 mit Lisa Germano und The Band of Blacky Ranchette, daneben die Platten von Calexico und der Friends of Dean Martinez, beides Bands, die aus Giant Sand hervorgegangen sind.

Eine stolze Familiengeschichte. Giant Sand spielen am Montag im Lido. THOMAS MAUCH