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Archiv-Artikel

LOCKERBIE: LIBYENS ENTSCHÄDIGUNG ERKLÄRT NICHTS Aufklärung uninteressant

Na also, mag man sich denken: Libyens Staatsführung erklärt sich schuldig im Fall Lockerbie, zahlt rund 2,7 Milliarden Dollar Entschädigung, und die Sanktionen gegen das Regime Muammar al-Gaddafis werden aufgehoben. Damit scheint der bis zum 11.9.2001 aufwändigste Ermittlungsfall der Geschichte gelöst – fast 15 Jahre nachdem eine Bombe den PanAm-Jumbo nach New York im Dezember 1988 explodieren ließ und das schottische Örtchen Lockerbie beim Absturz teilweise einäscherte.

270 Menschen starben damals. Millionen Trümmerstücke wurden seitdem untersucht, tausende Zeugen vernommen, ein britischer Truppenstützpunkt in den Niederlanden zum Gericht umgebaut, damit Libyen die beiden von den USA als Hauptverdächtige ausgemachten Männer auslieferte. Doch wer wirklich hinter dem Anschlag stand, wollten die Ankläger gar nicht so genau wissen. Die meisten Indizien wiesen und weisen bis heute eher auf radikale Palästinenser unter syrischer Patronage oder ein Jointventure verschiedener Gruppen hin als auf Libyen. Aber Syrien wurde im Golfkrieg 1990 als Verbündeter gebraucht, Libyen dagegen war das perfekte Feindbild. Der FBI-Agent, der das wichtigste Indiz fand, ein Zünderfragment, wurde später wegen Fälschung von Beweisstücken in anderen Fällen gefeuert; der entscheidende Belastungszeuge der Amerikaner war ein libyscher CIA-Zuträger, der sich 1991 just in jenem Moment erinnerte, als er gefeuert werden sollte, wenn er nicht bessere Geschichten liefere.

Anfang 2001 schließlich wurde einer der beiden Angeklagten verurteilt, der andere freigesprochen. Um Aufdeckung der Wirklichkeit ging es damals so wenig wie heute. Alle Beteiligten haben schlicht kein Interesse mehr an der Angelegenheit: Libyen will endlich sein Schurkenimage und die Sanktionen loswerden. Und die USA haben keinen Bedarf mehr an einem aufgebauschten Feindbild namens Libyen: Die Achse des Bösen ist breit genug. Letztlich geht es ums Geschäft, und da haben sich die Beteiligten nun eben geeinigt. CHRISTOPH REUTER

Der Autor, 35, ist Stern-Reporter und berichtete 2000 als Erster, dass der Hauptbelastungszeuge im Lockerbie-Prozess bereits vor dem Anschlag auf der CIA-Gehaltsliste stand