LIEBESERKLÄRUNG : Riesending
DUNKEL UND FEUCHT WAR ES, DAS HEUER VORGEZOGENE SOMMERLOCH, ANGSTBESETZT UND LETZTLICH UNERGRÜNDLICH
Vom Sommerloch ist Jahr für Jahr die besinnungslose Rede, aber erst 2014 haben wir es wirklich kennenlernen dürfen. Das Sommerloch ist ein Riesending. Es geht gut einen Kilometer in die Tiefe und zieht sich dort etwa sieben Kilometer in die Länge – so ganz genau wird man das wohl nie wissen. Dem furchtlosen Höhlenforscher Johann Westhauser fiel beim furchtlosen Erforschen ein Stein auf den Kopf. Wann das war, wissen wir nicht mehr. Dort unten geht, genau wie hier oben, das Zeitgefühl schnell flöten.
Eine gefühlte Ewigkeit jedenfalls wurde über die Bergung des Höhlenmenschen berichtet. In der Ukraine rückt die Rote Armee vor, 50 Millionen Menschen sind auf der Flucht, aber dem traumatisierten Verunglückten in seinem lichtlosen Sommerloch ging es „den Umständen entsprechend gut“. Uff. Verkündet wurden die guten und immer besser werdenden Nachrichten stets von professionellen Höhlenrettern, den pragmatischen Naturen von der umgekehrten Bergwacht. Gestritten wurde überirdisch darüber, ob der Begriff der „Bergung“ auf Lebende angewendet werden kann und auch darüber, „was das alles wieder kostet“. Doch das Schauspiel war es wert. Teilweise waren bis zu 70 Hebammen mit Steigeisen bereit, sich zum Zwecke der Wiedergeburtshilfe in das Sommerloch zu wagen. Feucht und eng und tief und im Grunde unergründlich war das Loch, ein Fest für Speläologen wie Psychoanalytiker. Nun soll sein Schoß für alle Zeiten verschlossen werden, wie die McDouglas-Höhle in „Die Abenteuer des Tom Sawyer“. Schade. Man sollte sie wenigstens im Sommer für ein paar Tage öffnen. Damit „Nachahmer“ ihre Chance bekommen.
Der Gerettete? Wird bald bei Jauch von seinem quasiuteralen Überlebenskampf berichten. Und dann, hoffentlich, auf Lesereise gehen. Mit den „Riesending-Monologen“. ARNO FRANK