LEXIKON DES MODERNEN UND UNMODERNEN FUSSBALLS : Spielerfrau, die
CHRISTOPH BIERMANN
Vermutlich sind auch die Fußballspieler von heute noch mit Frauen verheiratet, haben feste Freundinnen und lockere Liebschaften. Spielerfrauen hingegen haben sie keine mehr. Das geht so weit, dass man als Fußballreporter von Freunden immer häufiger vertraulich zur Seite gezogen und gefragt wird, ob es eigentlich deutsche Nationalspieler gibt, die nun, tja, wie soll man sagen, gar nicht auf Frauen stehen.
Das nervt, aber schon nach einem kleinen Selbsttest erkennt man das Problem. Wer sich die Aufgabe stellt, die Namen der Frauen oder Freundinnen aktueller deutscher Nationalspieler zu nennen, kommt nicht weit. Sofern man nicht zufällig Marin-Groupie, Khedira-Stalker oder Gomez-Fan ist bzw. ein sehr ausgeprägtes Interesse an Klatsch und Tratsch hat, dürfte einem spontan bestenfalls Simone Ballack einfallen. Und das auch nur deshalb, weil sie schon ewig mit dem Nationalmannschaftskapitän zusammen ist. Insofern ist Frau Ballack auch der Prototyp der Spielerfrau von heute, die öffentlich nur bei den Spielen ihres Mannes auf der Tribüne in Erscheinung tritt und sich Deutschlandfarben auf die Wangen malen lässt.
Klar, es gibt Ausnahmen, und meistens ist es die gleiche: die modelnde Spielerfrau. In der Trash-Variante ist sie das sogenannte Nacktmodell, zu der etwa eine gewisse Julia gehört, die früher mit Marcell Jansen zusammen war und kürzlich Christoph Metzelder angeblich ungewollte Vaterfreuden schenkte. (Sind die beiden deshalb Exnationalspieler?) Bastian Schweinsteiger hingegen hat eine Model-Freundin, die Sarah heißt und schon wieder die Ausnahme von der Ausnahme ist, weil sie eher im Zeit Magazin als in Bild erklärt, dass sie keine Spielerfrau sein will, weil das nach Nägellackieren und Nichtstun klingt. Sie folgt eher dem Modell der Doppel-Celebrity, wie es Victoria Beckham und Sylvie van der Vaart installiert haben, die bei ihren Ehen die Welten Showgeschäft und Fußball miteinander vermählt haben.
Das war bei Italia Walter noch nicht so, die in den Fünfzigern für den größtmöglichen Glamour an der Seite von Fritz Walter gesorgt hatte, einfach nur weil sie aus Italien kam. Doch ein echtes Eigenleben bekam die Spielerfrau erst drei Jahrzehnte später, als Gaby Schuster, Bianca Illgner und Angela Hässler aus dem Schatten ihrer Männer traten und deren Verhandlungen zu führen begannen. Beschimpft als Flintenweiber des Fußballgeschäfts ebneten sie erstaunlicherweise den Weg für einen ganzen Schwung von Boutiquebesitzerinnen, Schmuckdesignerinnen und Fotomodellen, von denen die meisten mit Lothar Matthäus liiert waren, dem ewig pubertären, großen Jungen des deutschen Fußballs, der zuletzt eine 26 Jahre jüngere Münchener Teenagerin mit Modelambitionen heiratete, die ein Kopf größer ist als er. Schön war es, mit den beiden im Jahr 2008 zur Zugspitze zu fahren, als dort das EM-Aufgebot bekannt gegeben wurde, und Liliana ihre Mutter und Großmutter mitgebracht hatte.
Viel Weiblichkeit brauchte auch Stefan Effenberg, jedenfalls inszenierte er seine Beziehung zur ehemaligen Frau Strunz öffentlich als Amour fou voller Leidenschaft und Tätowierungen mit falschem Englisch („True love never die“). So viel Sex gab es später nur durch Import der Spielerfrau des kroatischen Profis Dino Drpić nach Karlsruhe. Der brachte seine Partnerin Nives Celsius mit, deren Name wohl eine gewisse Überhitztheit nahelegen sollte, wozu auch die Mär passte, Drpić sei aus Zagreb vertrieben worden, weil er nachts im Stadion unter Flutlicht Sex mit ihr im Anstoßkreis hatte.
Doch abgesehen von solchen Nachhutgefechten ist die Ära der Spielerfrau hierzulande vorbei. Heutzutage sind sie einfach die Frauen und Freundinnen von Spielern, führen ihr eigenes Leben oder fallen einfach nicht sonderlich auf. Wer sich für das Sujet interessiert, muss das Land verlassen und sich der reichhaltigen Kultur überspannter und übermäßig ausgabefreudiger Wags (Wives and Girlfriends) englischer Kicker zuwenden.