LEUCHTEN DER MENSCHHEIT WOLFGANG GAST : Eifersucht, Streit und danach Stille
Es ist still geworden um die Piratenpartei. Drei Wochen vor der Bundestagswahl findet sich kein Umfrageinstitut, das den Piraten ein Ergebnis über 3 Prozent einräumen möchte. So steil der Aufstieg, so jäh der Fall, möchte man meinen. Und weil es so still um die Internetfreaks geworden ist, wirkt so mancher Beitrag über die Politneulinge schriller als angebracht. Ein gutes Beispiel ist das eben erschienene Buch „Digital Naiv“ von Johannes Braun, einem Politikwissenschaftler, Jahrgang 1985, der knapp ein Jahr lang als Fraktionsreferent im saarländischen Landtag für die Piraten arbeitete. Veröffentlicht wurde das Buch (Orell Füssli Verlag, Zürich 2013) mit der Autorenzeile „Anonymus“, weil Braun zu Beginn seines Projekts noch für die junge Partei arbeitete.
Jemand, der so vertraut mit seiner Fraktionsarbeit ist, sollte den LeserInnen einen Einblick in das Leben der Piraten gewähren können. Weit gefehlt: „Digital Naiv“ (eine Verballhornung des Begriffs Digital Natives für die Generation Cyberspace) ist auf knapp 200 Seiten eine einzige zornige, selbstgerechte Abrechnung mit der einst Angebeteten namens Piraten. Beispiel: „Wenn die Wähler am 22. September ihr Kreuz bei den Piraten setzen, wählen sie einen naiven, nicht zur Politik fähigen Kindergarten.“ Zu lesen im Kapitel „Was die Piraten in der Politik wollen“. Und an einer anderen Stelle schreibt der Autor: Wer „die Piraten wählt, wählt Betrug, Show und das Scheitern“. So weit, so platt.
Es ist ja durchaus nicht so, dass Johannes Braun nicht auch Punkte anspricht, die bei den Piraten durchaus zu hinterfragen sind. Ihr Konzept von der Liquid Democracy etwa, bei dem die WählerInnen jederzeit ihre Stimme delegieren und anschließend zurückfordern können sollen. Wenig hilfreich ist allerdings, wenn Braun dieses Konzept gnadenlos als „genau wie der Sozialismus, eine im akademischen Elfenbeintürmchen entworfene Illusion“ abkanzelt.
Dass es um die Piraten so still geworden ist, das haben sich die politischen Freibeuter dank innerer Eifersüchteleien und Streitereien wohl selber zuzuschreiben. Eines haben sie aber ganz sicher nicht verdient: Beschreibungen wie „Digital Naiv“.
■ Der Autor ist Redakteur der taz