LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: „Suizid im Alter. Rettung ausgeschlossen“, taz vom 29. 6. 09
Ein rascher Tod
Soweit mir bekannt ist, erreicht die Zahl der Suizide durchaus die der Verkehrstoten, bekommt aber längst nicht die gleiche mediale Aufmerksamkeit; selbst Statistiken werden nur zögerlich geführt. Aus beruflichem Kontext ist mir die Altenheimsituation in Dortmund in den neunziger Jahren vertraut. Ob solche Lebensumstände noch menschenwürdig zu nennen sind, erscheint mir fraglich. Nach Lektüre des heutigen Beitrags glaube ich, dass Alter an sich in meinem Geburtsland eine Behinderung im Sinne der UN-Menschenrechtskonvention darstellt.
Bekannt ist auch, dass Menschen in Altenheimen nur wenig menschliche Zuwendung von mehr oder weniger schlecht bezahlten Pflegenden bekommen, stattdessen mit großer Häufigkeit nach dem Motto „ruhig, satt und sauber“ unter lebensverkürzende Medikamente gesetzt werden. Ich selbst habe für den Falle einer Heimeinweisung ohne meine Zustimmung schon vor Jahren im Rahmen einer Patientenverfügung festgelegt, dass ich dann jede medikamentöse Behandlung ablehne. Ein rascher Tod ist mir lieber als über Jahre ohne menschliche Zuwendung dem Ende entgegenzudämmern. Froh bin ich, dass es unser Parlament nach langjähriger Debatte nun doch noch geschafft hat, einen gesetzlich verbindlichen Rahmen für solch eine Patientenverfügung zu schaffen. MARGRET OSTERFELD, Dortmund
■ betr.: „Suizid im Alter. Rettung ausgeschlossen“
Hilfsangebote sind notwendig
Als einer der in diesem Artikel zitierten Fachleute habe ich mich sehr gefreut, dass die taz sich der öffentlich kaum wahrgenommenen Problematik des Alterssuizids angenommen hat. Der gründlich recherchierte Artikel beschäftigt sich mit der Ursachenforschung, leider nicht auch mit Hilfsangeboten für Betroffene. Daher ist es besonders ärgerlich, wenn der Artikel mit „Rettung ausgeschlossen“ überschrieben wird. Die zitierten Fachleute, die mir fast alle persönlich bekannt sind, sind genau gegenteiliger Meinung: Hilfsangebote sind notwendig und oft sehr wirksam. Ein Skandal ist, wenn alte Menschen in seelischer Not von unserer Gesellschaft kein Hilfsangebot erhalten, unabhängig davon, ob sie gerettet werden wollen und können. MARTIN TEISING, Bad Hersfeld
■ betr.: „Das vernetzte Auto“, taz vom 27. 6. 09
Elektroautos just for fun?
Öffentliche Verkehrsmittel und Elektroautos miteinander zu kombinieren, mag zunächst gut klingen, aber wie sieht denn die Realität aus? Nach wie vor dominiert beim Autofahren der Wunsch, selbst Eigentümer des Fahrzeugs zu sein und damit auch mit mehreren Personen weite Strecken fahren zu können – egal ob man es nachher tatsächlich tut. Diesen Anliegen versucht die Autoindustrie im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch weiterhin zu entsprechen. Das „vernetzte Auto“ scheint mir daher in erster Linie eine Kopfgeburt zu sein, interessant vielleicht als Thema für verkehrspolitische Seminare, aber kaum für die Praxis.
Solange Benzin bzw. Diesel noch für viele Menschen erschwinglich ist, besteht allenfalls in einzelnen Bereichen die Bereitschaft, Mobilitätsverhalten zu ändern. Die Mehrheit fährt indessen weiter wie bisher. Kleine Elektroautos finden sicher viele Menschen gut – soweit sie sich keines kaufen müssen.
Wird das Erdöl jedoch „richtig“ teuer, dürfte sich die gesamte wirtschaftliche Statik der Industriegesellschaften verschieben. Der größte Teil der Waren wäre dann vermutlich deutlich teurer. Elektroautos just for fun? Eine Lachnummer angesichts der wirklichen Probleme, die uns erwarten, sollte das Öl tatsächlich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zur Neige gehen. Unter dieser Voraussetzung wird es wohl die größte Herausforderung sein, die Menschen überhaupt mit bezahlbarer Nahrung, Kleidung und Wohnraum zu versorgen.
In der Verkehrspolitik tun wir gut daran, auf bewährte und langlebige Produkte wie den Schienenverkehr sowie auf das Fahrrad zu setzen. Ausbau und Förderung dieser Systeme sollten konkret im Hier und Jetzt vorangetrieben werden – dazu braucht man weder das Rad neu zu erfinden noch weitere Utopien zu entwickeln. HANSJÖRG BEYER, Berlin
■ betr.: „Das Drama von Schulerfolg und Privatschulboom“,taz vom 1. 7. 09
Der Faktor Eltern
Aus einem heterogenen ersten Schuljahr einen homogenen Abiturjahrgang zu machen, ist zurzeit das Lieblingsmärchen der Bildungswissenschaftler und Politiker. Bei allen Planungen und Modellen wird der Faktor Eltern und Herkunft mit dem Wert 0 angenommen. Dass dieser Faktor aber wesentlich zur Schullaufbahn beiträgt, wird bewusst ignoriert. Leider tut die Politik auch alles, um dies zu verstärken, und mit jeder Reform wird dieser Faktor wichtiger. Das erklärt auch den Erfolg der Privatschulen, auf die immer mehr Eltern aus der Mittelschicht ihre Kinder schicken. Im Gegensatz zu einer staatlichen Schule wissen diese um die Bedürfnisse der Eltern und machen sich das zunutze. STEPHAN KLÖCKNER, Hamburg