LESERINNENBRIEFE :
Für politische Zwecke missbraucht
■ betr.: „Die kalte Ignoranz der Formel 1“, taz vom 23. 4. 12
Der Profit steht an erster Stelle, dies ist auch in der Formel 1 nicht anders. Hätte sonst ein Grand Prix in Bahrain stattgefunden? Sicherlich nicht. Dazu passen die Rechtfertigungen seitens FIA und Bernie Ecclestone, dass der Sport sich nicht in die Politik einmische. Sie haben damit zwar nicht Unrecht, aber nicht im von ihnen gemeinten Sinne. Meistens wird der Sport für politische Zwecke missbraucht, und dies war auch in Bahrain so. Die Formel 1 hat sich quasi in die Geiselhaft des Regimes in Bahrain begeben. Ein nettes Happening neben Folter und Unterdrückung. Bahrain ein beschaulicher Wüstenstaat mit einem Formel-1-Rennen. Für mehr hatte es in der Berichterstattung leider keinen Platz. Warum auch, solange der Sport nichts mit Politik zu tun hat, lassen sich ohne schlechtes Gewissen gute Profite erzielen, und das Regime in Bahrain ist schließlich auch zufrieden. Gewinner, wohin man blickt, und der Rest wird einfach ausgeblendet. PASCAL MERZ, Sursee, Schweiz
Verquere Definition
■ betr.: „Kampfansage an die Fankultur“, taz vom 21. 4. 12
Ich kann die ganze Leier um diese ominöse „Fankultur“ nicht mehr hören. Denn Fußball ist und bleibt in erster Linie ein Ballspiel zweier Teams auf einem begrenzten Rasengeviert. Da können Sie schreiben, was Sie wollen.
Ich kann es auch nicht mehr ertragen, dass diese wie auch immer geartete Fankultur dazu benutzt wird, Gewalt gegen Sachen oder Menschen kleinzureden. Auch ich stehe entweder in der Nordkurve oder sitze in Block 12 und schreie, tobe, jubele oder werde auch mal ausfällig, da bin ich Fan. Aber vor dem Anpfiff und nach dem Schlusspfiff nehme ich für mich in Anspruch, ein ganz normaler Mensch zu sein. Die ständigen Begründungen für Gewalt jeglicher Art, wie zum Beispiel „Provokation durch Polizeibeamte“ oder „das mangelnde Verständnis bei Vereinsfunktionären“ ist nicht nur lächerlich, sondern läuft auch komplett ins Leere. Es wird versucht, eine Ei-oder-Huhn-Diskussion aufzubauen, um Gewalt zu rechtfertigen. Doch was ist ursächlich dafür? Lediglich die Veranstaltung eines Fußballspiels. Erst wenn die Veranstalter für sämtliche daraus resultierenden Kosten haftbar gemacht werden, wird Bewegung aufseiten der Vereine erkennbar werden (leider). Das Interesse tendiert vorher gegen null.
Will man die Gewalt vor, während und nach Fußballspielen endgültig verhindern, wird nur eine Nulltoleranzstrategie aller Beteiligten zum Erfolg führen (leider). Auch Ihre despektierliche Bemerkung zu der Frauen-WM wird Musik in den Ohren all derjenigen sein, die genau dieser verqueren Definition des Begriffs „Fankultur“ in dieser Diskussion anhängen. Denn das ist deren Sprache und Gesinnung. CARSTEN WILL, Birtlingen
LehrerInnen gehen mit der Zeit
■ betr.: „Pädagogen klagen über schwierige Schüler und Eltern“, taz vom 25. 4. 12
Ich möchte Frau Lehmann einladen, sich Schule und Unterricht einmal aus der Nähe anzuschauen, und zwar nicht für zwei Stunden, sondern für vier Wochen. Dann würde sie nachempfinden können, was es heißt, jeden Tag aufs Neue zu versuchen, Themen und Inhalte attraktiv zu verpacken, das Interesse und die Aufmerksamkeit der SchülerInnen zu wecken, kurz, sie zu motivieren, etwas zu tun, was die meisten von ihnen freiwillig nicht täten. Sie würde erkennen, welches Herzblut und welche immer wiederkehrenden Mühen darin stecken und wie häufig diese Bemühungen zunichtegemacht werden, weil wir vielen Kindern und Jugendlichen gegenübersitzen, deren Aufmerksamkeitsspanne die Dauer eines Musikvideoclips nicht übersteigt.
Dass wir LehrerInnen heutzutage mit der Zeit gehen und neue Medien und Methoden einbeziehen müssen, versteht sich von selbst, und wir tun es auch. Es kann aber nicht angehen, dass wir den Seh- und Handlungsgewohnheiten einer Generation kritiklos das Wort reden und alles, was wichtig ist, in bunte, bewegte Bilder verpacken, damit wir die Kids überhaupt noch aus ihrer weitverbreiteten Lethargie herausreißen. Das wäre eine Kapitulation! Das Elternhaus spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Wo Fernseher und Computer im Kinderzimmer bereits in der Grundschule nicht mehr die Ausnahme sind, soll sich niemand wundern, wenn Kinder in der Schule wenig Antörnendes finden.
Natürlich tragen wir LehrerInnen genauso Verantwortung, aber es ist absolut kontraproduktiv, uns gegen die Eltern auszuspielen oder umgekehrt. Nur gemeinsam können wir der Verarmung durch unsere Medienkultur entgegenwirken.THOMAS KRAUSE, Bremen