LESERINNENBRIEFE :
Mörderischer Rassismus
■ betr.: „Die neuen Kreuzritter“, taz vom 11. 5. 12
Rollen, Akteure und Dynamiken der Durchsetzung rassistischer Meinungsmonopole sind in „Ungehorsam als Tugend“ (Berlin 2008) des Sozialpsychologen Peter Brückner allgemein beschrieben. Von „Psychopathen“ ist dort ebenso wenig die Rede wie in der Holocaustforschung des Kreises um Dieter Pohl, der die Zahl des Nazi-Personals, das unmittelbar tötete, mit etwa 8.000 angibt (taz, 9. 11. 11). Dass dies Personal Charaktermerkmale aufwies, die es von der breiten Nazi-Anhängerschaft unterschieden haben müssen, erlaubt nicht, es als medizinisch krank zu begreifen, zumal seine Ideologie der der Nazi-Massen gleich war. Auch heute liegt das Ursächliche des Mörderischen von Breivik oder den „NSU“-Tätern wieder nicht in den Personen, sondern in deren Rassismus – sei dieser bei Breivik von mittelschichtiger bzw. kultureller oder bei den NSU-Tätern von unterschichtiger bzw. biologischer Spielart.
Sozial zielen antimuslimischer Rassismus wie auch nazi-faschistischer beide von unten her gegen Aufsteiger und vom Oben der Mittelschicht her gegen Leitkulturferne unten. Beide zeigen in dieser Übereinstimmung ihren gemeinsamen Ursprung aus derselben irrationalen, weil überspannt rationalen, manichäisch-dualistischen Weltvorstellung von Gut und Böse, welche die abrahamitischen Zivilisationen bis heute hin konstituiert. Der Einsicht in das Kranke von Rassismus widersetzt sich nun das Geschwätz von angeblich kranken Rassisten, von „Psychopathen“. Die politische Gegenantwort: „Sarrazin sind viele – doch einer nur ist Sarrazin.“ Die gesellschaftliche Mitte, in welcher Rassismus von oben mit dem von unten koalieren will, hat ihre ideologischen Sauställe auszuräumen, was mit Ausräumen der Sauhirten beginnt. Doch darüber entscheidet wie immer das Volk bzw. sein von der Wahlforschung der Parteien als wahlmunter bestimmter Teil. Merke: Werden Fleischfresser vor die Alternative Wirsing oder Blumenkohl gestellt, werden sie selbstverständlich nicht wählen mögen. WERNER BRAEUNER, Sehnde
BGH hatte eine Frau vorgeschlagen
■ betr.: „Frauenschwund am Richtertisch“, taz vom 14. 5. 12
Die Bundes-Justizministerin (FDP) hat nach Meldung der taz ihre Entscheidung, die Stelle der Vorsitzenden des Familienrechtssenats des BGH mit einem Mann zu besetzen, mit der angeblichen besseren Eignung begründet. Offenbar meint sie aber nicht die Eignung als Richter; denn der BGH selbst hat eine Frau vorgeschlagen. Vom BGH ist bekannt, dass er seine Auswahl ausschließlich nach der Eignung vornimmt. Daher muss vermutet werden, dass die Bundesjustizministerin die Eignung nach parteipolitischen Kriterien bemisst. Dieses Kriterium mag bei Staatssekretären berechtigt sein. Bei Richtern ist es fehl am Platz. FRIEDRICH ZEMPEL, Pesterwitz
Heftiger Schritt rückwärts
■ betr.: „Für das Leben“, taz vom 16. 5. 12
Herzlich willkommen beim heftigen Schritt rückwärts. Da befleißigen sich „Lebensschützer“ zum „Schweigemarsch“. Leider wurde nicht geschwiegen, sondern mehr als nur einfacher Blödsinn erzählt. Vor allem hielten sich weder der Organisator noch die Mitläufer an etwas, was ihnen als bibeltreuen Christen doch heilig sein müsste: „Du sollst kein falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten!“ Aber das ist man/frau ja inzwischen gewöhnt, denn ihren Nächsten suchen sie sich schon selbst aus. Wenn sie sich nur halb so viel um die Kinder kümmern würden, die in unserem reichen „christlich“ regierten Land jeden Tag ohne Frühstück zur Schule müssen, dann wäre das wirklich ein christliches Werk. Und was Herrn Flath betrifft, Wahlkampf lässt sich hier auch mit solchen Statements machen. Was bleibt einem da anderes übrig, als als Atheistin zu stöhnen: „Oh Herr, lass Hirn vom Himmel regnen!“ CLAUDIA NESTLER, Königswalde
Volksabstimmung über Reformen
■ betr.: „Vernünftiger Linksruck“ Ulrike Herrmann über Neuwahlen in Griechenland, taz vom 16. 5. 12
Warum nimmt eigentlich niemand die Idee Papandreous auf, das griechische Volk selbst über die Reformen abstimmen zu lassen? In einem offenen Verfahren, in dem den Griechen alle Vor- und Nachteile fair gegenübergestellt werden, fällte Griechenland selbst die Entscheidung über einen Verbleib im Euroraum bzw. Verbleib in der EU. Verbunden mit Neuwahlen wäre gleichzeitig die neue Regierung an das Ergebnis einer solchen Abstimmung gebunden, anstatt einen Linken mit Versprechen an der Macht, der dann diese Versprechen brechen muss. JÖRG RUPP, Malsch
Formulierungen regen auf
■ betr.: „Zurück zu den Wurzeln“, taz vom 14. 5. 12
Ich mag keine Phrasendrescherei und lese daher die taz. Doch Sie selbst nutzen auch äußerst gekonnt Bilder, die zum Gähnen sind – siehe die herzkranke Oma, die ein seichtes (Film-)Ende braucht, um nicht im Fernsehsessel ihr eigenes zu finden. Die Omas meiner Kinder, die bitte auch nur von den Enkeln so bezeichnet werden, und viele ihrer Artgenossinnen möchten so ein seichtes Zeugs auch nicht sehen. Sollte ich selbst einmal Großmutter sein, herzkrank oder auch nicht, regen mich solche Formulierungen sicherlich mehr auf als ein unsanftes Filmende. Und: Überlegen Sie mal, wie viele junge Seichtseher und -hörer Sie kennen! Es gibt immer wieder Nachwuchs dieser Spezies. PETRA GROSSE-STOLTENBERG, Hattingen