LESERINNENBRIEFE :
Triumph der Westideologen
■ betr.: „Linke vorerst wiedervereinigt“, taz vom 4. 5. 12
Das hat der alte Egomane und Politstratege Oskar vor seinem endgültigen Abgang noch mal geschickt eingefädelt: Am ersten Parteitag musste zunächst eine weibliche Kandidatin gekürt werden – nicht wegen des Prinzips „Ladys first“, sondern um sicherzustellen, dass die Wahl auf die ostdeutsche Katja Kipping fiel – und damit war angesichts des vorgeschriebenen Ost-West-Proporzes und dank der Überzahl der Westdelegierten der Oskar-Konkurrent Bartsch automatisch aus dem Rennen. Nicht umsonst hat Sahra Wagenknecht (West) nicht kandidieren wollen – womöglich wäre damit der Weg für Bartsch (Ost) noch offen geblieben. Nun haben die Westideologen ihren Triumph, und der fassungslos zuschauende Bürger hat wieder mal ein Paradebeispiel geliefert bekommen für rach- und eifersuchtsgetriebene Polit-Ranküne. BARBARA SKERATH Köln
Reformen, die nichts kosten
■ betr.: „Die Crossover-Methode“, taz vom 6. 6. 12
Katja Kippings angekündigte „neue Linke“, ein „gemeinsames politisches Projekt von SPD, Grünen und Linkspartei“, könnte einen einfachen Menschen an die rot-rote Koalition in Berlin erinnern. An die Privatisierung der Wasserbetriebe, der Gasag, der Bewag, zigtausender Wohnungen, was bei vielen einfachen Menschen, die von 1.200 Euro netto im Monat leben, wenig Begeisterung hervorrief. Es gab damals auch neue „Einsichten in tiefgreifende strategische und programmatische Defizite der Linken“. Allerdings hatte man noch nicht die neue „Crossover-Methode“ des „Thinktanks Solidarische Moderne“. Ob die „hier versuchte Neuformation einer politischen Linken über Parteigrenzen hinweg“ sich von den rot-roten Koalitionen unterscheiden wird, ist nach dem einzigen hier erwähnten Vorschlag, „Hochschulräte“ durch „Hochschulkuratorien“ zu ersetzen, nicht einsichtig. Zumal die große Mehrheit der Wähler ihr Hauptproblem nicht in der „Bildung als Teil der sozialen Infrastruktur zur Veränderung gesellschaftlicher Prozesse“ sieht, sondern eher in niedrigen Löhnen, prekären Arbeitsverhältnissen, Arbeitslosigkeit, steigenden Lebenshaltungskosten, Wohnungsnot. Sind hier wieder „Reformen, die nichts kosten“ gemeint? HERMANN HACKELBERG, Berlin
Sie sagten gar nichts oder Unsinn
■ betr.: „Die Crossover-Methode“, taz vom 6. 6. 12
was die zu schaffenden hochschulkuratorien angeht, bin ich verwirrt. diesen mist hatten wir doch längst?! an der fu-berlin wachte jedenfalls ein kuratorium aus diesen berüchtigten vertretern der zivilgesellschaft über die neu eingeführte erprobungsklausel. dieses gremium hat exakt nichts gemacht, und der einzige, der dort aktivitäten entfaltete (außer den uni-vertretern, die selbstverständlich alles toll fanden, was demokratieabbau betraf), war der studentische vertreter. diese zivilgesellschaftlichen gestalten sagten entweder gar nichts, weil sie keinen nerv hatten, sich auch noch mit dem kram auseinanderzusetzen (neben ihren vorstands- oder abgeordnetentätigkeiten), oder unsinn. da ich aber glaube, dass kipping und ypsilanti kluge menschen sind, haben sie sich sicher mehr dabei gedacht. was, das geht leider aus dem artikel nicht hervor und entzieht sich daher der beurteilung (außer natürlich der des autors brumlik, denn seit kant hat sich ja nichts wichtiges mehr ereignet). max, taz.de
Seit der Kaiserzeit nix dazugelernt
■ betr.: „Linke im Häuserkampf“, taz vom 1. 6. 2012
Wie schön, dass die taz es doch noch gemerkt hat! Dass die Linksfraktion eine Genossenschaft gegründet hat, um 11.500 Wohnungen vor den Hedgefonds zu retten, konnte man ausführlicher und informativer bereits woanders lesen. Dass die einzige linke Tageszeitung im Land ihren Lesern Beispiele hervorragender Sacharbeit einer linken Partei tapfer vorenthält, dafür aber jede Personalkabale in der linken Ecke fast täglich seitenweise hämisch auswalzt, zeigt, dass man in dieser Szene seit der Kaiserzeit nichts dazugelernt hat.
ANDREAS NITZE, Monheim am Rhein
Geniale Fahrradtrassen
■ betr.: „Deutsche sollen mehr radeln“, taz vom 5. 6. 12
Als Alltagsbiker mit einer Jahreskilometerleistung von 8.750 Kilometern im Jahr 2011 möchte ich zwei Aspekte beitragen: Im Ruhrgebiet habe ich in den letzten sechs Jahren von den Ergebnissen des Radverkehrsplans nicht viel gemerkt. Dabei verfügt das Ruhrgebiet über eine geniale, brachliegende Infrastruktur in Form von alten Güterbahntrassen, die das Ruhrgebiet spinnennetzartig überziehen. Es existieren Brücken und Übergänge, die seit Jahren verwildern. Die wenigen bereits befahrbaren Trassen (Erzbahntrasse, Rheinischer Esel usw.) werden von den Radlern begeistert angenommen und verbinden zum Beispiel Gelsenkirchen und Bochum in einer Fahrzeit von ca. 20 Minuten – versuchen Sie das mal im Berufsverkehr mit dem Auto! Wenn man dann noch die geniale Variante Fahrrad–Zug–Fahrrad wählt, kommt das Auto kaum noch mit. Aber da kommt das nächste Problem: In dem aus 5 Doppelstockwagen bestehenden RE 1, der das Ruhrgebiet kreuzt, gibt es ein Fahrradabteil, das tagsüber mit Fußgängern vollgestopft ist. Im ICE ist die Fahrradmitnahme nicht erlaubt, im Verbundtarif VRR sind bei der letzten Fahrpreiserhöhung die „Fahrradkarten“ deutlich teurer geworden. Wirkliche Förderung von gesunder, sauberer und zukunftweisender Ballungsraummobilität sieht anders aus! BERND KAPPEL-KANTUS, Bochum