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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Antiquiertes Staatsverständnis

■ betr.: „Das Recht, zu schießen“, taz vom 25. 1. 13

Der Artikel von Johannes Thumfart fängt mit einer an Plumpheit kaum zu überbietenden Einleitung über die Entwaffnung und Ermordung von Sinti, Roma, Homosexuellen und Juden an. Und wenn man sich nach und nach mit wachsendem Ärger und Entsetzen durch dieses von merkwürdigen Vorstellungen und Glaubenssätzen geprägte Schriftstück gekämpft hat, fragt man sich, was so ein Text in einer Qualitätszeitung wie der taz zu suchen hat.

Zum einen wird darin ein überhöhtes und unrealistisches Menschenbild transportiert, zum anderen enthält er gleichzeitig ein völlig antiquiertes und vormodernes Staatsverständnis. Einer der größten Fortschritte der Menschheit ist das Gewaltmonopol des demokratischen Rechtsstaates und damit einhergehend das Verbot der Selbstjustiz. Wie man an der Überschrift unschwer erkennen kann, erzeugt das Recht, Waffen zu tragen, mit fast automatischer Sicherheit den tatsächlichen Einsatz der Waffe. Die Konsequenz aus den abstrusen Vorstellungen des Herrn Thumfart wäre ein Rückfall in die Hölle des „Jeder gegen jeden“, und der Stärkere beziehungsweise Skrupellosere gewinnt. Ich bin jedenfalls äußerst froh darüber, dass ich nicht jedem, dem ich auf der Straße begegne, „auf Leben und Tod vertrauen muss“ beziehungsweise ihm im Zweifelsfall schutzlos ausgeliefert bin. JAKOB SCHMID, Ellwangen

Mehr Waffen, mehr Demokratie?

■ betr.: „Das Recht, zu schießen“, taz vom 25. 1. 13

Auf den ersten Blick erscheint die zugrunde liegende Argumentation rasant dämlich und gar nicht so ungefährlich. Nach kurzem Nachdenken stellen sich aber einige Fragen. Je mehr Waffen, desto mehr Demokratie. Echt jetzt? Ist das ganze Ausdruck einer zutiefst defätistischen Grundhaltung, also: Geschossen wird immer – besser man bewaffnet sich auch? Woher rührt die offensichtliche Sympathie für die vor allem in den USA weit verbreitete Einstellung zu diesem Thema? Ist der Autor etwa Mitglied der NRA? Insgesamt ein sehr befremdliches Elaborat. OLIVER HANNAPPEL, Mühltal

Archaische Lebensform verklärt

■ betr.: „Das Recht, zu schießen“, taz vom 25. 1. 13

Thumfart bedenkt nicht, dass das Waffenverbot und das Gewaltmonopol des Staates politische Errungenschaften einer Gesellschaft sind, die darauf verzichtet, ihre Konflikte untereinander mit Waffen zu lösen. Das Argument, man gebe damit eine bestimmte Freiheit auf (mal ehrlich, welcher Nonsens wurde in den letzten Jahren nicht schon mit dem Freiheitsargument vertreten?), ist auch mehr als zweifelhaft: Soll er doch mal erklären, wie er sich gegen eine autoritäre Regierung mithilfe von Handfeuerwaffen und Sturmgewehren gegen Panzer und Drohnen verteidigen will? Oder soll die jetzt auch jeder haben dürfen?

Auf das McDonald’s-Argument muss nicht weiter eingegangen werden. Wer die Zahlen derer, die sich zu Tode fressen, verwendet, um Tausende von Mordopfern – die sich ja im Gegensatz zu den Fast-Food-Ernährern hierzu nicht entschieden haben – zu relativieren, diskreditiert sich selbst. Er tut nichts weiter, als eine archaische Lebensform zu verklären, was sich in einer heutigen zivilisierten Gesellschaft angesichts der Opfer nicht mehr rechtfertigen lässt.

CLAUDIUS MAIER, Villingen-Schwenningen

Groteske Argumente

■ betr.: „Das Recht, zu schießen“, taz vom 25. 1. 13

Dass der „freie“ Gebrauch von Schusswaffen ein selbstverständliches Recht des „freien“ Bürgers sei, das wiederholt die American Rifle Association (RFA) ja bis zum Überdruss. Mir scheint es sehr befremdlich, dass sich Johannes Thumfart in der taz für dieses Recht so vehement einsetzt und sich dabei als Sachwalter des „Citoyen schlechthin“ geriert. Seine Argumente sind recht grotesk:

1. Durch Verkehrsunfälle und Gesundheitsprobleme gab es in den USA sehr viel mehr Tote als durch „Fremdeinwirkung mit Feuerwaffen“. Das mag ja sein, aber 11.078 Opfer sind 11.078 Opfer zu viel. Außerdem ist diese Gegenüberstellung und vor allem die „Schlussfolgerung“, dass man dann doch zunächst die Autos verbieten müsse, einfach zynisch. Einen sinnvollen Vergleich hat Michael Moore in seinem „Bowling for Columbine“ angestellt: Die USA und Kanada haben eine einigermaßen vergleichbare Gesellschaftsstruktur, aber Kanada hat zu Schusswaffen eine Verbotsregelung, wie man sie in europäischen Ländern findet. Bei Moore findet sich das Fazit, dass in Kanada die Zahl der Opfer von Schusswaffengebrauch signifikant niedriger ist. Und Kanada ist doch wohl keineswegs weniger demokratisch als die USA.

2. „Amokläufe wie in Newton passieren.“ Es ist ja doch ein ganz entscheidender Unterschied, ob ein frustrierter oder verzweifelter Jugendlicher bloß einen Wandschrank in seiner Wohnung zu öffnen braucht, um an ein halbautomatisches Gewehr zu kommen, oder ob solche Waffen in „normalen“ Haushalten gar nicht vorhanden sind. Wenn Schusswaffen praktisch überall zur Verfügung stehen, werden solche Amokläufe mit Sicherheit viel häufiger passieren.

Dass strukturelle gesellschaftliche Probleme eine Rolle spielen, will ich gar nicht bestreiten, aber wer diesen Sachverhalt als Argument gegen eine Einschränkung des Waffenhandels verwendet, der ist entweder naiv oder zynisch. Ebenso gut könnte man gegen die Einführung eines allgemein verbindlichen Mindestlohns als Argument ins Feld führen, dass Lohnarbeit überhaupt Ausbeutung sei und sowieso abgeschafft gehöre. WINFRIED SCHUMACHER, Köln