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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Völlig haltlose Vermutungen

■ betr.: „Die Spur führt nach links“, taz vom 2. 3. 13

Die Titelseite ist ein nie für möglich gehaltener Tiefpunkt: Ein Satz, mit dem an einen nie aufgeklärten (!) Mordanschlag auf ein jüdisches Altenheim 1970 erinnert wird, wird unter der verbindenden Überschrift „Die Spur führt nach links“ mit einem Plakat mit Fritz Teufel präsentiert, das auf München 1972 hinweist. Der Leser soll also weiter verbinden: In München 1972 starben sieben israelische Sportler bei dem Attentat. Und das alles hat mit Fritz Teufel zu tun und Leuten, die sich als links verstehen. Das wird weiter hinten nicht mit einem einzigen Beleg untermauert.

Es könnte sein, dass diese Art von Journalismus der taz nachhaltig schadet. Für einen Journalismus, der mit völlig haltlosen Vermutungen üble Nachrede betreibt, besteht kein Bedarf, erst recht nicht bei der Leserschaft der taz. GERD BAUMANN München

Kein Historiker

■ betr.: „Der Antizionismus war Grundposition der radikalen Linken“, taz vom 2. 3. 13

Jetzt kam der „Historiker“ Kraushaar also auch in der taz zu Wort. Den Brandanschlag auf die Israelische Kultusgemeinde 1970 in München will er in seinem Buch „neu aufgerollt“ haben. Sein Ergebnis: Sieben Auschwitz-Überlebende sind von Mitgliedern der „linken Szene“ ermordet worden. Die deutlichen Beweise des „Historikers“ für diese ungeheuerliche Anschuldigung erinnern an Rio Reisers Rauch-Haus-Song: „Und die deutlichen Beweise sind zehn leere Flaschen Wein, und zehn leere Flaschen können schnell zehn Mollies sein“. Kraushaar ermittelt den Täter mit gleicher Logik: „Bei ihm findet sich die dichteste Häufung von Verdachtsmomenten.“ Ein anderer ist wegen seiner Beziehung zu einer Frau tatverdächtig, die später bei der RAF auftaucht. Und wenn Fritz Teufel schon lange vor der Tat sagte: „Während der Olympischen Spiele passiert was“, ist für den „Historiker“ der letzte Zweifel beseitigt. Für mich auch: ein Historiker ist der Autor nicht, gut dass er nicht Richter geworden ist.

JÜRGEN ARNOLD, München

Keine guten Zeugen

■ betr.: „Der Antizionismus war Grundposition der radikalen Linken“, taz vom 2. 3. 13

Das Buch Kraushaars ist sehr verdienstvoll, wenn ihm auch ein strengeres Lektorat gut getan hätte, um Doppelungen und Kitschstellen zu meiden. Ihr Redakteur Fanizadeh setzt Kraushaar im Interview mit recht in Sachen München, Reichenbachstraße ordentlich zu, denn das ist seine schwächste Beweisführung. Alle anderen Dinge sind belegt und sollten eigentlich unstrittig sein, da haben die heutigen Antizionisten noch gut dran zu knacken, wer ihre Ahnen sind.

Aber zur Reichenbachstraße 27 am 13. Februar 1970: Weder Galinski, ihm saß der Schreck vom Berliner Tupamaros-Anschlag noch in den Knochen, noch Gerhard Müller, der ganz eigene Interessen hat, sind gute Zeugen, und schon gar nicht die Polizei. Bei so unklarer Sachlage würde ich immer zuerst nach einem Motiv fragen, alte Leute im Wohnheim durch Feuer zu töten, und da fallen mir weder noch so radikale PLO-Leute noch randständige Jugendliche oder Dritte-Welt-Aktivisten ein. Ein solcher Anschlag bringt nirgends Punkte in der Öffentlichkeit, im Gegenteil.

Wie intensiv hat die Polizei wohl im Milieu der früheren SS-Leute geguckt, die zu Hunderten in München lebten, teils deutschstämmig, teils als Heimatvertriebene anerkannt, wenn sie zu den weiland muslimischen Kämpfern des Mufti aus der Sowjetunion und Jugoslawien gehörten? Diese Leute hatten bis 1945 äußerst brutal gemordet. Aber sie genossen Protektion in München, siehe die damaligen inneren Kämpfe um die Freimann-Moschee. Wenn es im Haus Reichenbachstraße unter den überlebenden Holocaust-Opfern oder in Gestalt des getöteten Bibliothekars Siegfried Offenbacher und in der dortigen Bibliothek Zeugen oder Zeugnisse über SS-Verbrecher gab, wäre das ein viel stärkeres, nämlich persönliches Motiv altgedienter SSler für den Brandanschlag, um nicht in den Knast zu kommen. Und um einen Brand im Treppenhaus zu legen, brauche ich keinen Crashkurs in Bombenbau in Amman. REINHARD FINCK, Moers

Die reinste Verschwörungstheorie

■ betr.: „Der Antizionismus war Grundposition der radikalen Linken“, taz vom 2. 3. 13

Was ist dem geschätzten Soziologen Kraushaar da passiert? Die deutsche Linke hat schon viele Auswüchse und Verirrungen hinter sich gebracht; sie war auch unübertrefflich in Selbstzerfleischung, nebst destruktiven Aktionen. Kraushaars neustes Werk setzt jedoch allem die Krone auf: die reinste Verschwörungstheorie. Betrachtet man die israelische Politik, wird man feststellen, dass es durchaus gerechtfertigt ist, Israel als einen Vorposten der USA in Nahost zu bezeichnen. Die Liste der gemeinsamen Strategien und Missionen würde Bücher füllen. Dass es im Zuge der antiimperialistischen Ausrichtung der deutschen Linken zu Annäherungen und Solidarisierungen mit den Palästinensern kommen musste, liegt auf der Hand. Daraus jedoch diese ungeheuren Vermutungen zu rekonstruieren ist mehr als fahrlässig. Die These von der Entlastungsstrategie wegen Naziverbrechen der Eltern ist als windschiefes Konstrukt längst entlarvt.

Die Süddeutsche, gewiss nicht besonders „linksradikal“, hat schon recht, wenn sie Kraushaars Werk als „Geschichtskonstruktion“ und „Welt im Konjunktiv“ bezeichnet. Es wurde schon viel maulheldisch herumgetönt damals, daraus einen antisemitischen Trend herzuleiten ist mehr als abenteuerlich. JÜRGEN SCHIERHOLZ, Bremen