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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Vorgeschichte wird ausgeblendet

■ betr.: „Verlorene Leben“ von Monika Hauser, taz vom 5. 4. 13

Ist ein Denkmal für alle im Krieg vergewaltigten Frauen tatsächlich ein so überfälliges Muss, wie Frau Hauser suggeriert?

Wir erleben seit den 1990er Jahren den verstärkten Versuch der Umdeutung des Zweiten Weltkrieges mit dem Ziel, eine „deutsche Opferrolle“ in den Vordergrund zu schieben. Den Anfang machte Frau Steinbach, die die gerechtfertigte Empörung über die ethnischen Säuberungen in Exjugoslawien dafür nutzen wollte, die deutschen Vertriebenen zu reinen, unschuldigen Opfern schwerer Kriegsverbrechen durch die Alliierten umzudeuten, unter völliger Ausblendung der Vorgeschichte. Ähnliches scheint jetzt unter Berufung auf die 1945 in Massen vergewaltigten deutschen Frauen zu geschehen.

Ein Denkmal für alle im Krieg vergewaltigten Frauen mit starkem Bezug auf den Zweiten Weltkrieg würde eine „Schwesterlichkeit“ annehmen, die es schlichtweg nicht gab und nicht gibt. Sind eine vergewaltigte Jüdin, die anschließend vergast wurde, und eine deutsche Vergewaltigte, die nach 1945 weiterleben durfte, wirklich so ohne weiteres „Schwestern“, derer gemeinsam gedacht werden soll? War die weibliche Hälfte des deutschen Volkes quasi per Geschlecht unschuldig und einfach nur Opfer? Was ist mit der Masse deutscher Frauen, die jahrelang ihrem hysterischen Führerkult gefrönt haben, die keine Probleme damit hatten, dass ihre jüdischen NachbarInnen erst verschwanden und dann ermordet wurden, die fraglos bis Herbst 1944 sehr gut ernährt wurden, während in weiten Teilen des besetzten Europas geschlechtsübergreifend gehungert beziehungsweise verhungert wurde? Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen. Alle vergewaltigten Frauen des Zweiten Weltkrieges so ohne Weiteres gleichzusetzen leistet letztendlich nur einem unreflektierten Biologismus Vorschub. Wenn schon ein Denkmal, dann für die diejenigen Soldatinnen und Soldaten der Roten Armee, die die innere Kraft und den Mut hatten, die Deutschen von Anfang an human zu behandeln, obwohl diese es wahrlich nicht verdient hatten.

MICHAEL KOPSIDIS, Halle an der Saale

Die Haltung der Kirche

■ betr.: „taz wegen Papst am Pressepranger“, taz vom 5. 4. 13

Das kann doch nicht wahr sein, dass ein offener ehrlicher Artikel, der auch noch als Kommentar gekennzeichnet ist, solche Reaktionen hervorruft. Anscheinend auch bei vielen taz-LeserInnen. Wenn die Menschen aus der Erkenntnis über und der Angst vor dem eigenen Tod die Religion als Rettungsanker erfinden, dann kann ich das noch nachvollziehen. Wenn sich das dann aber Klüngel wie die Kirche zunutze machen, um sich zu bereichern, Menschen zu unterdrücken, sexuell zu verkrüppeln und Millionen von Menschenleben auf dem Gewissen zu haben, dann ist das mit Esoterik noch harmlos ausgedrückt. Eine katholische Kirche, die sich erst 400 Jahre später, nachdem sie 1600 auf dem Campo de’ Fiori in Rom Giordano Bruno verbrannt hat – weil dieser meinte, es gäbe viele Welten –, dafür entschuldigen konnte, sollte mit Worten wie faschistoid und Volksverhetzung äußerst zurückhaltend sein. In den Anfangstagen der taz war übrigens die Haltung zur Kirche noch eindeutiger.

STEPHAN KRALL, Kronberg

Kassel schadet sich selbst

■ betr.: „Abflug in die Pleite“, taz vom 4. 4. 13

Man hat in Nordhessen den unnützlichsten Airport Europas gebaut und damit Lübeck entthront.

Bei der Eurorettung kochen die Emotionen gern hoch, wenn es aber um Steuergeldverschwendung in unserem Land geht, bleibt das Volk erstaunlich gelassen. Vielleicht weil wir uns daran gewöhnt haben, dass unsere Politiker immer wieder gegen alle Vernunft und Rat von Experten solche Projekte durchwinken. Ein besserer ÖPNV in Kassel mit besserer Vernetzung und Anbindung zum Kreis hätte das Geld gut gebrauchen können, von sozial- und bildungspolitischen Projekten ganz zu schweigen. Kassel schadet sich einmal mehr selbst.

MARKUS MEISTER, Kassel