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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Verlust ärztlicher Kernkompetenz

■ betr.: „Die Informationspflicht ist neu“, taz vom 7. 6. 13

Manche erinnern sich vielleicht noch an die Schautafel im Biologieunterricht, die den menschlichen Körper als Fabrik mit komplizierten, ineinandergreifenden Einzelprozessen darstellt und ihn damit auf ein erforschbares Maschinenmodell reduziert, dessen wissenschaftliche Erforschung zu immer mehr Detailwissen über die einzelnen Abläufe führte, die damit gleichzeitig immer komplizierter wurden. In der Medizin waren Spezialisierung und Subspezialisierung die Folge.

Da scheint das Konzept der interdisziplinär zusammengesetzten Spezialistenteams verlockend und überfällig. Erklärtes Ziel ist die gemeinsame Entscheidungsfindung zum Wohl des Patienten. Umgesetzt wird dieses Konzept bereits beispielsweise in „Tumorkonferenzen“, wo die am Diagnose- und Therapieprozess beteiligten Ärzte leitliniengemäß über einen Patienten beraten. Auch wird durch gesetzliche Vorgaben beispielsweise von einem nach Qualitätsstandards anerkannten Tumorzentrum eingefordert, die strukturellen und personellen Voraussetzungen für psychoonkologische Beratungen vorzuhalten.

Dennoch bleibt, auch im neuen Konzept der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, ein zentraler Mangel: Die Patientin bleibt, um beim Beispiel zu bleiben, mit ihrer spezifisch erlebten Krankheitsgeschichte reduziert und fragmentiert auf Gebärmutterhalskrebs, Lymphknoten und Lymphknotenstau, sie ist Objekt von Operation, Strahlen- und Chemotherapie und charakterisiert durch radiologische Befunde und Laborwerte. Für den Fall, dass sie bei Diagnosemitteilung anfangen könnte zu weinen, gibt es da noch den Psychoonkologen. Sie bleibt vor dem Portal eines Raumes, in dem die Spezialisten über ihre Befunde und das, was weiter mit ihr geschehen soll, beraten. Die Auswirkungen dieser von einem Patienten erlebten Interdisziplinarität bringt es auf den Punkt: „Ich war an einem Tag in sechs verschiedenen Kliniken – so was mach ich nicht mehr mit.“ Und der Arzt? Er hat technisch gut operiert, teilte die Diagnose mit und beendete sein Gespräch mit dem Satz: „Ich würde Ihnen gern helfen, aber für Angst bin ich nicht zuständig.“

Fazit: Die Spezialisierung in der Medizin hat zu einer (auch ökonomisch attraktiveren) Bedeutungszunahme der Körpermedizin und einer sich parallel entwickelnden Bedeutungszunahme der Psychotherapie geführt. Beide Entwicklungen haben einen Bedeutungsverlust des ärztlichen Gespräches und die Verarmung der ärztlichen Kernkompetenz zur Folge. Als Hausärztin und potenzielle Patientin wünsche ich mir, dass der Stellenwert der Beziehungsmedizin in den interdisziplinären Spezialistenteams wahrgenommen, in ihrer Bedeutung für den Umgang mit dem Kranken und seiner Krankheit gewürdigt wird und sie gesetzlich verankert einen Platz erhält. Dies ist damit verknüpft, dass die ärztliche Kommunikationskompetenz an Bedeutung gewinnen muss. GISELA BRÄUNINGER, Wackernheim

Nutzt eure Konsumentinnenmacht

■ betr.: „Gefährliches Patt beim Gentech-Mais“, taz vom 12. 6. 13

Eure vielzitierte Meldung neulich, Monsanto sei in Europa auf dem Rückzug, war leider mehr Wunsch als Wirklichkeit (und weil der Wunsch so stark ist, kam immer mehr Wunschdenken in die Berichte!). Jetzt versucht es die Lobby über den Brüsseler Bürokratenfilz. Ein großer Proteststurm wird folgen, der wiederum die Gegenseite zu noch raffinierteren Strategien zwingt – ein ewiges Spiel!

Warum nutzen wir, die Mehrheit, die kein Genfood will, nicht die stärkste Waffe, die wir haben – unsere KonsumentInnenmacht?! Würden die Zigmillionen Bürger, die Genfood ablehnen, statt zwei- bis dreimal täglich nur am Wochenende oder noch seltener Fleisch essen und auch sonstige Tierprodukte in Maßen, dafür aber in echter Bioqualität, so hätten wir binnen Tagen leer gefegte Biomärkte, subventionierte Biobauern und einen kompletten Zusammenbruch der gesamten verbrecherischen Tierfabriken samt Zulieferern aus einstigen Regenwäldern – so eine Macht haben wir!

Warum nutzen wir sie nicht, sondern warten darauf, dass korrupte Politiker uns retten? SABINE MIEHE, Marburg