piwik no script img

Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Grund zur Freude

■ betr.: „Mehrheit der Bürger will die Bibliotheken der Städte und Kieze retten“, taz vom 3. 7. 13

Seit vielen Jahren zerstören Ratsbeschlüsse so unauffällig wie zielstrebig ein gut entwickeltes System dezentraler Literaturversorgung. Mit der Schließung von Schul- und Stadtteilbibliotheken gehen in vielen Wohnbereichen öffentliche Räume für soziales Leben und bürgernahe Kultur verloren, während man in den Zentralbibliotheken auf Bestsellerangebote trifft, für die es keiner Bibliotheken bedürfte.

Zwischen Elektronik-Euphorie und Schuldenbremse fällt vielen Stadträten einfach nichts anderes als Schließung ein, wie gering die Einsparung auch immer ausfällt. Schließlich gehört das Angebot öffentlicher Bibliotheken zu den „freiwilligen Aufgaben“ der Kommune und Kultur zum Privatvergnügen. Nicht allen bibliothekarisch Verantwortlichen ist es gelungen, demgegenüber Rat und Öffentlichkeit an das Grundrecht auf freie Information zu erinnern und von der gesellschaftlichen Stärke ihres professionell organisierten Angebots einer bürgernahen, nachhaltigen und vielfältigen Literaturversorgung zu überzeugen.

Daher ist es allerdings ein Grund zur Freude, wenn endlich die Presse das stille Sterben der öffentlichen Bibliotheken bemerkt und es außerhalb der Enge von Parteibüros und Stadtverwaltungen diskutiert. Erst recht sind Bürgerentscheide dafür eine gute Nachricht. Gerade weil sie politisch noch nicht überall möglich sind, muss laut und deutlich von ihnen gesprochen werden, wenn sie denn „kurz vor zwölf“ der Verarmung im kommunalen Leben entgegenwirken sollen. Sonst wird es bald heißen: Es war einmal.

MARIA KÜHN-LUDEWIG, Paris

Empathie für Kleinkinder

■ betr.: „14 Kinder auf eine Erzieherin“, taz vom 5. 7. 13

Es ist keine Frage, dass ErzieherInnen qualifiziert sein müssen. Denn im Umgang mit zarten Kinderseelen ist sehr viel Einfühlungsvermögen notwendig. Doch Qualifikation wird oft mit einem hohen Bildungsabschluss verbunden. Aber hat der/diejenige tatsächlich mehr Empathie für Kleinkinder?! Das ist nicht erwiesen und schlichtweg ein Vorurteil. JULIA ENGELS, Elsdorf

Raus aus der Schmuddelecke

■ betr.: „Die nette Heimaufsicht“, taz vom 9. 7. 13

Möglicherweise lassen sich die beschriebenen Eskalationen in der Haasenburg auch als Produkt einer ideologisch aufgeladenen Diskussion begreifen, die einen fachlich sinnvollen Umgang und eine den extremen Problemlagen angemessene Unterbringung der Jugendlichen erheblich erschwert.

Diese Jugendlichen haben oft extreme Traumatisierungen und Deprivationen erlebt, die es ihnen zunächst verunmöglichen, sich auf Bindungsangebote, etwa im Sinne intensiv-pädagogischer Maßnahmen einzulassen. Zahlreiche Jugendliche, die in Krisen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht werden mussten, berichten rückblickend, den geschlossenen Rahmen einer Akutstation als Halt gebend erfahren zu haben, da ihnen psychische Grenzen fehlen, die sie benötigen, um nicht sich selbst oder andere zu schädigen. Die zum Beispiel in der Haasenburg untergebrachten Jugendlichen bringen in Folge ihrer eigenen psychischen Notsituation ihre Betreuer an ihre Grenzen, was dazu führt, dass die Gefahr von Eskalationen und unprofessionellem Handeln groß ist. Zustände wie in der Haasenburg lassen sich dadurch auf keinen Fall entschuldigen.

Erforderlich wäre jedoch ein öffentliches und fachliches Klima, in denen eine zumindest teilweise und temporäre Geschlossenheit eines Heims kein Tabu darstellt, sondern als Maßnahme in Betracht gezogen werden kann, um Jugendlichen ein Bindungsangebot zu machen, dass diese aufgrund ihrer Beeinträchtigungen zunächst selbst nicht annehmen können. Hierfür wären sorgfältig ausgewählte, belastungsfähige und eng supervidierte Mitarbeiter erforderlich, die den Jugendlichen einerseits ein entsprechendes langfristiges, tragfähiges Bindungsangebot machen können und andererseits die vielfältigen Testungen der Jugendlichen, verbunden mit Entwertungen, Gewaltandrohungen u. Ä. so lange aushalten, bis die innere Anbindung trägt. Hierfür müsste die „geschlossene Unterbringung“ aus der „Schmuddelecke“ der Jugendhilfe geholt werden und eine fachliche Diskussion die ideologische ersetzen, wie zum Beispiel bereits in dem öffentlich kaum beachteten Enquêtebericht zur Jugendkriminalität 2001 geschehen. Möglicherweise bliebe es den Jugendlichen dann erspart, in Einrichtungen wie der Haasenburg gedrillt zu werden oder aber wie eine heiße Kartoffel zwischen Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendamt hin- und hergeworfen zu werden, was die Bindungsstörungen verfestigt.

NINA KNAUERHASE, Diplom-Psychologin,

psychologische Psychotherapeutin

Die Zeche zahlt das Volk

■ betr.: „Solarenergie erreicht Fördermaximum“, taz vom 9. 7. 13

Zu der Nachricht, dass dieses Jahr nur noch halb so viel Solarleistung installiert wird wie letztes Jahr, sagt Altmaier: „Es ist ein guter Tag für die Energiewende.“ Zynischer geht es nicht mehr. In Wirklichkeit ist es ein guter Tag für die Energiekonzerne. Denn statt die immer billiger werdende dezentrale Energieversorgung zügig auszubauen, wird diese im Interesse der Konzerne gebremst und auf die teure Windkraft auf See und Kohle gesetzt. Die Zeche zahlt das Volk.

ARTUR BORST, Tübingen