LESERINNENBRIEFE :
Die Erzählung wird standardisiert
■ betr.: „Nazi, Junge, Mädchen“, taz vom 21. 4. 10
Es ist ein Artikel, in dem sämtliche Klischees über Transsexuelle verbraten werden, die man so kennt, und aus dem herzlich wenig über den Menschen zu erfahren ist, um den es angeblich geht. Der ganze Artikel ist durchzogen von der Faszination des Fremden, von einem Exotismus, der aus ihr das Andere macht. Maria wird von einer Person zu einem Exemplar, das die mitgebrachten Vorstellungen von Transsexualität abbildet. Heimlich Mädchenkleider in der Kindheit getragen? Check. Aggressive Maskulinität als Anpassungsversuch? Check. Ekel vor dem Körper? Check. Selbstmordgedanken? Check. Und so weiter. Die Erzählung wirkt standardisiert, was einfach daran liegen kann, dass sie standardisiert ist: Jeder Transmensch weiß schließlich, was Cissexuelle hören wollen (oder hören können), wenn ihnen von Transsexualität berichtet wird.
Dazu kommt die schreckliche Sprache: Da hat sich Maria mit fünf Jahren wie ein Mädchen gefühlt, war aber natürlich keines. Deswegen braucht sie auch eine Geschlechtsumwandlung. Und natürlich wird wieder umoperiert. „Sie fühlte sich unnormal, schuldig, dreckig“. Und ich fühle mich auch beschmutzt, dabei habe ich den Artikel nur gelesen.
Ich habe es eigentlich satt, dieses Thema immer unter „Vermischtes“ zu finden und auch dann immer nur in anekdotischer Form. Ich vermisse eine politische Analyse der rechtlichen und medizinischen Situation von Transmenschen, ihrer institutionalisierten und individuellen Diskriminierung und der Möglichkeiten, dagegen zu kämpfen. Wo müsste ich suchen, um das zu finden?
JAPA BERGMANN, Weimar
Was bewegt Deutschland?
■ betr.: „Die K-Frage“, taz vom 16. 4. 10
Deutschland bewegt die K-Frage. Ist damit wirklich nur Kevin Kurany gemeint? Ist das nicht zu verkürzt gedacht. Ist das alles, was Deutschland bewegt? Hier einige zusätzliche K-Fragen: Kapitalflucht, Kreditkrise, Katholische Kirche, Kindermissbrauch, Kardinäle, Kanzlerin, Koalition, Kundus, Krieg, Kulturetats, Kerner, Kaulitz, Kraftstoffpreise, Klimawandel, Kernkraft, Kraft-Wärme-Kopplung, Kohlekraftwerke, Kommunalfinanzen, Kurzarbeit, Kaufkraftverlust, Komasaufen, Kinderland, Kreditklemme, Kauder, Kirchenaustritte, Koalitionsvereinbarungen, Karl-Theodor, Käßmann, Kormoran, Knut, Kachelmann, Kempter, Kindermangel. Das reicht.
RÜDIGER HILLENBRAND, Messkirch
Dinge ändern sich
■ betr.: „Uns geht ein Licht aus“, taz vom 21. 4. 10
„Glühbirnen sind Teil unserer traditionellen Beleuchtungskultur.“ Ach, so einfach ist das? Na denn: Kohlekraftwerke sind Teil unser Energiekultur. Atomwaffen sind Teil unserer Kriegskultur. Kinder prügeln ist Teil unserer Erziehungskultur. Nee, so einfach ist das nicht! Dinge ändern sich. Glücklicherweise. IRIS MEYER, Hannover
Keine Stichelei
■ betr.: „Gabriel macht aus den Grünen die FDP“, taz vom 20. 4. 10
Es wird in dem Artikel als Stichelei bezeichnet, dass Sigmar Gabriel die Grünen als die einzige liberale Partei bezeichnet. Ich empfinde das aber keineswegs als Stichelei. In Deutschland ist es doch keine Beleidigung, wie in den USA, liberal genannt zu werden. Nur weil die FDP frei nur noch in Bezug auf die Wirtschaft anwendet, ist der Grundsatz „die Freiheit geht so weit, bis sie die Freiheit des anderen einschränkt“, doch nach wie vor richtig.
Ich selbst wähle schon immer, das heißt seit elf Jahren, grün und würde meine politische Einstellung als liberal bzw. öko/grün-liberal bezeichnen. STEFAN MANDERSCHEID
Auf die Herkunft gesetzt
■ betr.: „300 Euro auch für Reiche“, taz vom 22. 4. 10
Die Erhöhung der Studentenförderung führt in eine falsche Richtung. Denn sie trägt nicht die Handschrift einer chancengerechten Gesellschaft, da Bedürftigkeitskriterien bei den geplanten Stipendien nur eine untergeordnete bzw. gar keine Rolle spielen. Daher können die Pläne der Bundesregierung auch so interpretiert werden, wieder einmal Wahlgeschenke an die eigene Klientel zu verteilen. Denn wer neben dem Studium nicht jobben muss, weil er reiche Eltern hat, der wird das Anforderungsprofil für die finanziellen Hilfen wesentlich besser erfüllen. Damit zählen dann, wie bei der Kindergelderhöhung zu Beginn dieses Jahres, aber am Ende wieder diejenigen zu den Gewinnern, die die Unterstützung gar nicht nötig haben. Deshalb müssen sich CDU, CSU und FDP die Kritik gefallen lassen, eine echte Leistungsgesellschaft gar nicht im Sinn zu haben, sondern weiter auf die Herkunft zu setzen! RASMUS PH. HELT, Hamburg