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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Dichterschutz gefragt

■ betr.: „Wem gehört die Revolution? Leipzig streitet sich mit Rechtspopulisten um Wortmarke „Wir sind das Volk“, taz v. 14. 10. 13

Kann denn ein Satz aus einem literarischen Werk ein Werbeslogan werden – ohne Angabe der Quelle? Kann er eine Wortmarke werden, die vom Markenamt geschützt wird? Ist er eine Ware? Kann er losgelöst aus seinem Kontext – ohne Hinweis auf den Dichter – benutzt werden? Wie weit wird denn da noch geistiges Eigentum gewürdigt?

Georg Büchner (1813–1837) entwickelte und schrieb diesen genialen Satz in dem Drama „Dantons Tod“. Es wurde erstmals 1835 veröffentlicht. Dort heißt es: „Wir sind das Volk und wir wollen dass kein Gesetz sei.“ Ferdinand Freiligrath (1810–1876) benutzte den Satz in seinem Gedicht „Trotz alledem!“. Das damals sehr beliebte und bekannte Lied von 1843 beginnt mit dem Satz: „Ob Armut Euer Los auch sei.“ Das Lied in der Fassung von 1848 beginnt mit den Worten: „Das war ’ne heiße Märzenzeit, trotz Regen, Schnee und alledem.“ In der achten Strophe heißt es: „Wir sind das Volk, die Menschheit wir sind ewig drum, trotz alledem!“

Die Menschen in der damaligen DDR kannten den Dichter Freiligrath und sein Gedicht. Er wurde ja – im Gegensatz zum Westen – dort noch immer gedruckt. Somit kannten sie auch diese Mahnung und riefen sie laut auf der Straße während der friedlichen Revolution von 1989. Wie weit beachtet die Stadt Leipzig diese Herkunft der Forderung der Demonstranten? Das variierte Lied wurde von vielen politischen Sängern in der Nachfolgezeit gesungen oder in ihren Texten verwandt. Aber immer mit Hinweis auf den Ursprung. Eine ähnliche Frage taucht auch auf bei dem „Einheitsdenkmal“, das in Berlin geplant ist. Dort soll ja die Inschrift „Wir sind das Volk“ groß eingemeißelt werden. Die Künstler wurden darauf hingewiesen, dass es korrekt sei, die Quelle zu benennen – zumindest in einem Flyer oder Begleittext. Eine Stellungnahme von ihnen wurde noch nicht abgegeben. Statt „Markenschutz“ wäre es richtiger, den „Dichterschutz“ zu fordern. RITA ROSEN, Wiesbaden

Egoismus und Kinderwunsch

■ betr.: „Elternschaft als Therapie“, Leserbrief vom 15. 10. 13

Hendrik Flöting meint, die Flucht zur Technik wird von Menschen mit Kinderwunsch als einfach empfunden. Ich kann wegen eines Ärztefehlers nicht aus Versehen schwanger werden. Mein Freund ist acht Jahre jünger als ich, und wir verdienen beide nicht viel. Aus diesen beiden (!) Gründen hatten wir nie eine Chance, ein junges gesundes Kind zu adoptieren. Laut Flöting hat man nur das Recht, Eltern zu werden, wenn man sich auch in der Lage sieht, schwere sozialpädagogische und therapeutische Arbeit am traumatisierten Kind aus dem Heim um die Ecke zu leisten. Wir haben auch das gründlich überlegt, und trauen es uns, unseren mittelmäßigen Charakteren und unserer schwierigen Beziehung nicht zu. Trotzdem haben wir ein wundervolles Kind aus einer künstlichen Befruchtung mit meinen eigenen Eizellen. Nun hätten wir gerne noch eines, aus Egoismus, weil es so schön ist, ein Kind aufwachsen und die Welt erobern zu sehen. Und natürlich wünschen wir unserem ersten Kind Bruder oder Schwester. Mein Körper verträgt inzwischen die Stimulation einer IVF nicht mehr, sodass wir uns, nach vielen Überlegungen und mit schlechtem Gewissen der Spenderin gegenüber, für eine Eizellspende entschieden haben. Dazu haben wir uns verschuldet. Den Vorwurf des Egoismus kann man jeder Art von Liebesbeziehung machen. Wer es schafft, völlig selbstlos zu lieben, egal, wie gestört der andere ist, werfe den ersten Stein. Name der Redaktion bekannt

Einseitige Werbung

■ betr.: „Boykottiert foodwatch!“, taz vom 12. 10. 13

Ich finde es ziemlich ärgerlich, wie einseitig in der letzten Wochenendausgabe die taz Werbung für einen Berufsverband gemacht wird, der freie Journalistinnen und Journalisten organisiert, nämlich die „Freischreiber“, obwohl es doch mindestens zwei weitere gibt, die seit Jahrzehnten ganz ähnliche Interessen verfolgen, nämlich der DJV und die Journalistengewerkschaft dju in ver.di, der ich selbst angehöre und in der ich als ehrenamtlicher Funktionär unter anderem im dju-Bundesvorstand aktiv bin. FRANK BIERMANN, Münster