LESERINNENBRIEFE :
Unverständliche Aufregung
■ betr.: „Bürgerrechte gelten nicht für die Kanzlerin“,taz v. 29. 10. 13
Ich versteh die Aufregung nicht: Wenn Angela Merkel nichts ausgefressen hat, hat sie auch nichts zu befürchten, oder?
ROLAND BENZ, Frankfurt am Main
Unverschämt und restaurativ
■ betr.: „Projekt Gegenaufklärung“, taz vom 30. 10. 13
Nicht erst im Zuge der Abhörskandale, sondern wohl schon im Laufe der Zeit seit dem Ersten Weltkrieg hat es sich eingebürgert und wird akzeptiert, dass die Aktivitäten der Spionageapparate als „Aufklärung“ etikettiert und die Errungenschaften der von der Geschichtswissenschaft mit diesem Begriff belegten Geistesbewegung des 18. Jahrhunderts außer Kurs gesetzt werden. Man hat da der Neubesetzung eines positiv belegten Begriffs Vorschub geleistet. Wenn nun Martin Kaul mit dem Plädoyer für offen zugängliche Verschlüsselungstechniken ein „Projekt Gegenaufklärung“ ausruft, so betreibt er auf terminologischer Ebene das Geschäft ebenjener Begriffsbesetzer, denen er das Handwerk legen will. Nicht nur, weil er hinnimmt, dass Spionage etwas mit „Aufklärung“ zu tun habe, sondern auch, weil der Begriff „Gegenaufklärung“ wissenschaftlich besetzt ist mit der Bedeutung „gegen die Aufklärung gerichtet“ oder schlicht: „Restauration“.
Das ist offensichtlich nicht Herrn Kauls Intention: „Projekt Aufklärung“ wäre die einzig angebrachte Titulierung seines unterstützenswerten Anliegens; er würde damit zugleich dazu beitragen, dass die zumindest seitens der westlichen Staaten immer wieder angeführte Argumentation, man müsse bisweilen jenseits rechtsstaatlicher Normen agieren, um Freiheit und Demokratie – also das Erbe der Aufklärung! – zu schützen, als das zu entlarven, was es ist: anmaßend, unverschämt, restaurativ. So viel Wortklauberei muss sein!
ULF ENGEL, Heidelberg
Lächerlich das Gejammere
■ betr.: „Merkels gefährliches Terrornetzwerk“, taz vom 25. 10. 13
Da jaulen sie nun auf, dass die Kanzlerin ausspioniert wurde. Die, denen es zuvor egal war, dass die ganze Bevölkerung unter dem Generalverdacht des Terrorismus stand. Lächerlich dieses Gejammere, denn die NSA hatte es doch geradezu angekündigt, auch die Kanzlerin anzuzapfen. Hieß es nicht, die NSA wolle tätig werden, wo es um Terrorismus und Waffenhandel gehe? Nun, im Waffenhandel mit unappetitlichen Kunden hat Angela Merkel wahrhaftig reichlich Dreck am Stecken. TILMAN LENSSEN-ERZ, Köln
Bio in Afrika geht
■ betr.: „Nur Bio geht in Afrika nicht“, taz vom 29. 10. 13
Selten so einen Schmarren gelesen.Schon im Interview hat Rolf Sommer keine Antwort auf die richtige Frage von Jost Maurin, ob es nicht besser wäre, den Bauern das Bau- und Brennmaterial zu zahlen. Es wäre nachhaltiger, langsam eine Biolandwirtschaft aufzubauen und zu bezahlen, als die Bauern mit Mikrokrediten für mineralische Dünger zu versklaven. Mit mineralischem Dünger wird die Bodenkultur zerstört, und da die Dünger uranhaltig sind, werden die Böden verseucht. Dass Bio in Afrika geht, sogar sehr gut geht, beweist das ägyptische Bio-Projekt „Sekem“. www.sekem.com
KARL HAGEN, Horb am Neckar
Danke für den Weckruf
■ betr.: „Beleidigend, boshaft, belanglos“, taz vom 25. 10. 13
Willkommen im Eiapopeia-Land! Eine volle Breitseite, die das bisher zum Jubiläum Geschriebene als Selbstbeweihräucherung erscheinen lässt. Meint die taz2-Redaktion mit dem hervorragenden Artikel (eines Außenstehenden) „Schema King Kong“ Deniz Yücel widerlegt zu haben? Natürlich hat Deniz Yücel nicht zu 100 Prozent recht. Aber sein Artikel hat mein Urteilsvermögen im Hinblick auf die taz geschärft. Dass die „Wahrheit“ ein autonomer Club innerhalb der taz ist, war mir bekannt. Und nun taz2 als nächste Bastion, allerdings mit gravierenderen Auswirkungen?
Wenn ich die taz gewissermaßen von vorne nach hinten durcharbeite, wird gelegentlich meine Kritik eingelullt. Danke für den Weckruf! Wann wird taz1 infiziert? Wenn ich das feststelle, sehe ich die Zeit gekommen, Abo und Genossenschaftsanteil zu kündigen. Aber das werden die taz2-MacherInnen dann wohl als angestrebten Austausch im Kundenkreis achselzuckend zur Kenntnis nehmen und „überblättern“. MEINHARD SCHRÖDER
Boulevard statt Kultur
■ betr.: „Beleidigend, boshaft, belanglos“, taz vom 25. 10. 13
Ein lang überfälliger Kommentar. Es fällt zunehmend schwer, mit anzusehen, wie die seit jeher knappen Kulturseiten zum Boulevard verkommen. Zudem ein Wort zu der nachwachsenden Generation von „Pop“-Schreibern in Gesellschaft, Kultur und Medien. Ein großer Teil schreibt derart stereotyp, selbstgerecht und nicht in Ansätzen selbstreflexiv und geschichtsbewusst, dass es mir oft den Magen umdreht. Sätze mit „Diese Langweiler“ (im Gegensatz zu dem Autor natürlich) oder „wie kann man nur“ finde ich einfach nur ärgerlich.
Es wäre schön, wenn ein Lektorat zur Seite stände, welches mit Elias, Bourdieu und Weiteren aushelfen könnte. HERBERT SASSE, Berlin