LESERINNENBRIEFE :
Krieg, Handel und Piraterie
■ betr.: „Offizieller Aufrüster der WM“, taz vom 26. 5. 10
Ilija Trojanow trifft mal wieder den Nagel auf den Kopf! Danke, dass endlich mal das peinliche Thema Waffengeschäfte der EU auf den Tisch kommt. Meine Frau, selbst griechische Staatsbürgerin, ist bis heute felsenfest der Meinung, dass die hier wunderbar persiflierte Rede Westerwelles tatsächlich so gehalten worden ist, und beruft sich auf Sendungen des griechischen Fernsehens, in denen darüber „allen Ernstes“ berichtet wurde. Nach dem Besuch Erdogans in Athen wurde im griechischen Fernsehen berichtet, die maßgebenden EU-Repräsentanten hätten sich alles andere als begeistert über die Abrüstungsvorschläge des türkischen Ministerpräsidenten geäußert! Anmerkung zur Rede des Bundespräsidenten Köhler über die gelegentliche Notwendigkeit von Kriegen zur Sicherung unserer Wirtschaftsinteressen: Altmeister Goethe hat es im „Faust“ treffender und weniger prosaisch auf den Punkt gebracht: „Krieg, Handel und Piraterie, dreieinig sind sie, nicht zu trennen!“ (Faust II, 5. Akt, Palast) MARC HEINECKE bei Hannover
In Berlin-Mitte stinkts zum Himmel
■ betr.: „Der beleidigte Präsident“, taz vom 1. 6. 10
wenn schon der präsident die politikergilde so unerträglich findet, dass er das oberste amt hinschmeißt, dann ist das doch ein beweis von allerhöchster stelle, dass es in ganz berlin-mitte zum himmel stinkt – und der bürger nicht zu unrecht die politik für realitätsfern, bürgerfremd hält und sich von den machenschaften der „volksvertreter“ nicht im geringsten demokratisch vertreten sieht. was muss noch passieren, um zu demonstrieren, dass das deutsche parteiensystem gegen die wand gefahren ist? ein präsident, der den stuhl verlässt, das ist doch so, als wenn der papst aus der kirche austritt – und damit zeigt, dass alles nur eine luftblase war … ANITA PLÜSS, Neuss
Hessen bleibt nichts erspart
■ betr.: „Das Bouffier ist eröffnet!“, taz-verboten vom 27. 5. 10
Danke für die zutreffende Bildbeschreibung von Volker Bouffier, der im Vergleich zum Original inhaltlich wie äußerlich noch schlimmeren Wiedergeburt von Roland Koch. Hessen bleibt in der Landespolitik aber auch nichts erspart! ROBERT CARLS, Bad Homburg
Was wusste die Bundesregierung?
■ betr.: „Was geschah an Bord“, taz vom 2. 6. 10
Scharf zu verurteilen ist der verbrecherische Angriff von israelischen Elitesoldaten auf 700 unbewaffnete Passagiere der Solidaritätsflotte für Gaza in internationalen Gewässern und das dabei erfolgte gezielte Erschießen von Bürgern verschiedener Länder. Das ist staatlich organisierter Terrorismus, ausgeführt von der israelischen Armee in internationalen Gewässern. Widerstand gegen einen Piratenakt, um den es sich hier auch handelt, ist nach dem Völkerrecht berechtigt. Es bleibt Fakt, dass 700 Passagiere auf internationalem Gebiet entführt wurden. Darunter zwei Bundestagsabgeordnete der Linken, Hedy Epstein, eine Überlebende des Holocaust, und der schwedische Krimi-Schriftsteller Henning Mankell. Was wussten die Bundesregierung und die dem Minister von und zu Guttenberg unterstellte Bundesmarine über den geplanten israelischen Angriff? Wo sind die Grenzen der konservativ-rechtsradikalen israelischen Regierung unter Netanjahu? Israel muss jetzt durch geeignete Maßnahmen (Boykott etc.) von der UNO gezwungen werden, die völkerrechtswidrige Blockade des Gazastreifens und seiner notleidenden Bevölkerung sofort zu beenden. RÜDIGER DEISSLER, Göttingen
Nicht „nationaler“ als sonst
■ betr.: „Eine nationale Umarmung“, taz vom 1. 6. 10
Es ist schon erstaunlich, was alles durch den Eurovison Song Contest und Lenas 1. Platz da reininterpretiert wird. Da hat ein Mädel einen Musikwettbewerb gewonnen, und ein paar Leute holen die Fähnchen raus, und schon wird ihnen „partielle Erlösung“ oder „Sucht nach Anerkennung“ unterstellt, oder sie leisten der Fremdenfeindlichkeit in unserem Land Vorschub, oder es wird Lena zur Integrationsbeauftragten hochstilisiert … geht’s noch? Wir wollen nicht besser sein als andere (auch wenn die Herren Wissenschaftler das meinen rausgefunden zu haben) und sind nicht „nationaler“ als sonst, wir haben uns ganz einfach mitgefreut! Also entspannt euch mal ein wenig!
SIGRUN STOELLGER, Hannover-Langenhagen
Nicht nachhaltiger Reisewahnsinn
■ betr.: Werbung für 5-Sterne-Bildungsreise
Mit großer Verwunderung und steigendem Missmut habe ich die Werbebeilage für die 5-Sterne-Bildungsreise für 149 Euro in eurer Samstagsausgabe gefunden. Ein solcher Preis ist unter ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit überhaupt nichts zu rechtfertigen. Ich habe gehofft, die taz vertritt ihre Ziele glaubwürdig. Glaubwürdig wäre, Flugreisen um der Ökologie willen zu ächten oder zumindest so zu verteuern, dass der erhebliche Schaden, den der weltweite Flugverkehr anrichtet, eingedämmt werden kann. Glaubwürdig wäre auch, sich für eine gerechte Bezahlung der in der Tourismusbranche oft ausgebeuteten Menschen in anderen Ländern einzusetzen, anstatt mit Dumpingangeboten diesen nicht nachhaltigen Reisewahnsinn noch zu unterstützen. ELKE NEUBAUER