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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Alle verstehen nur noch Bahnhof

■ betr.: S 21 und AKW-Laufzeitenverlängerung

Clever ausgebremst, Frau Merkel!

Ein bisschen Kollateralschaden und Schwund auch in den eigenen Reihen ist normal bei dem erstaunlich gelungenen Experiment, die bundesweite Protestbewegung (gegen AKW-Laufzeiten-Verlängerung) durch eine lokale (S 21) zackig auszubremsen. Clever gemacht, Frau Merkel – alle verstehen nur noch Bahnhof. Die Medien treiben brav die von der Regierung gewünschte Sau durchs Dorf und vernachlässigen den atomaren Dinosaurier, der ungestört im ganzen Land auf Jahrhunderte weiter seine Schäden setzt und jetzt gestoppt werden müsste. Sonst heißt es später genau wie bei S 21: Hättet ihr euch mal rechtzeitig gemeldet, jetzt ist es zu spät.

Die wirklich wichtigen Relationen geraten aus dem Blickfeld: Was ist ein lokales Bahnhöfle, das man mit Zubringer auch außerhalb bauen könnte, gegen langfristige Ausbeutung, Gefährdung und Weiterverschuldung des ganzen deutschen Landes durch unrechtmäßige und unverantwortliche Verlängerung von Laufzeiten längst überflüssiger AKW mit täglich wachsendem Giftmüll? Ist S 21 im Ländle wirklich wichtiger als die bundesweite Schuldenvergrößerung des überschuldeten Landes durch sozialisierte AKW-Kosten (bei Privatisierung der Gewinne) und täglich wachsendem Giftmüll nebst unkalkulierbaren und unversicherten Risiken durch Weiterführung des Atombetrugs am ganzen Volk? INGA DI MAR, Hamburg

Seehofers wechselnde Meinungen

■ betr.: „Seehofer auf Geisterjagd“, taz vom 12. 10. 10

Horst Seehofer ist der effektivste und effizienteste Politiker, wenn es um Medienaufmerksamkeit geht. Mit dem immer gleichen Trick bekommt er stets maximale Präsenz. Er äußert sich zu einem Thema, Politik und Medien regen sich erwartbar auf, Seehofer steht in jeder Zeitung. Am nächsten Tag folgt zuverlässig die Umkehrung oder Abschwächung des Gesagten. So auch hier. Schon im ersten Absatz steht das Dementi. Es würde helfen, mal drei Tage lang Seehofers täglich wechselnde Meinungen nicht abzudrucken. Ohne diese ständigen Aufgeregtheiten könnte dann eine wirklich wichtige Integrationsdebatte geführt werden, in der die vielen positiven Dinge hervorgehoben und die vorhandenen negativen Aspekte nicht verschwiegen werden. OLIVER VARELMANN, Münster

Integrationskurs für Seehofer

■ betr.: „Seehofer auf Geisterjagd“, taz vom 12. 10. 10

Kaum ist die Sarrazin-Welle ein wenig abgeebbt, melden sich eine ganze Reihe von TrittbrettfahrerInnen, um sich über die vermeintlich ungehemmte Zuwanderung von MuslimInnen nach Deutschland zu echauffieren. Mit seiner Forderung nach weniger Zuwanderung von TürkInnen und AraberInnen nach Deutschland, weil diese angeblich so schwer zu integrieren seien, glaubt Seehofer den Nerv seiner in Scharen davonlaufenden WählerInnen getroffen zu haben.

Allerdings ist dieses Manöver mehr als billig, zumal selbst Parteifreunde sich davon leise distanzieren. Seehofer bedient die plumpe „Das Boot ist voll“-Rhetorik der späten 80er-Jahre, mit dem die rechten Republikaner mal in einige Landtage gewählt wurden. Als erfahrener Politiker sollte Seehofer eigentlich wissen, dass kaum noch Zuwanderung aus den besagten „Kulturkreisen“ erfolgt, zudem immer mehr gut ausgebildete türkischstämmige Menschen Deutschland den Rücken kehren wollen. Der Versuch, sich als Lederhosen-Sarrazin oder Bierzelt-Wilders zu profilieren, dürfte gehörig nach hinten losgegangen sein. Ich empfehle dringend einen Integrationskurs!

ALI BAS, Sprecher der AK Grüne MuslimInnen NRW,

Ahlen/Westfalen

Dienst an der Gesellschaft

■ betr.: „Kommissar Cash“, taz vom 12. 10. 10

Herr Verheugen ist also der Meinung, dass sich nur gute EU-Kommissare finden lassen, wenn diese auch die Möglichkeit haben, finanziell richtig abzukassieren? Möglicherweise bin ich naiv, aber bisher war ich immer der Meinung, dass es in der Politik mehr um einen Dienst an der Gesellschaft geht als darum, möglichst hohe Geldsummen, Pensionsansprüche und Beraterverträge anzusammeln. Schließlich besteht die Gefahr, dass Personen, denen es vorrangig um finanzielle Vorteile geht, sich mehr auf ihr eigenes Wohl konzentrieren als auf das des Volkes. Dass Herr Verheugen das anders sieht, wundert mich nun allerdings ganz und gar nicht. NIELS FUSSHOVEN, Düsseldorf

Nur Parolen und Werbesprüche

■ betr.: „Die gegen die Opposition opponieren“, taz vom 13. 10. 10

„Es gibt ja gar keine Juchtenkäfer“ und „Umschalten auf Parole“ ist ganz typisch für die Befürworter von S 21. Gegenargumente werden nicht ernst genommen, man macht sich lieber lustig und außer Parolen und Werbesprüchen gibt es nicht viel. „Gut für die Wirtschaft“, ist so einer. Der Stuttgarter Kopfbahnhof ist einer der leistungsfähigsten Bahnhöfe Deutschlands. Wäre sein Ausbau (K 21) etwa nicht gut für die Wirtschaft? Einen in so komplizierter Topografie angelegten unterirdischen Bahnhof wird man später kaum ausbauen können, seine Wartung und Reparatur wird immense Summen verschlingen. Er verbraucht viel mehr Energie als ein überirdischer Bahnhof, weil Aufzüge, Rolltreppen, Beleuchtung und Belüftung benötigt werden. Einen Grund, sich lustig zu machen, gibt es nicht. Das sollten die Befürworter von S 21 endlich kapieren. MANUELA KUNKEL, Stuttgart