LESERINNENBRIEFE :
Gefährliche Bioinvasion
■ betr.: „Gefährliche Exoten“, taz vom 7. 5. 14
Die gefährlichste Bioinvasion, die bisher auf unserem Planeten stattgefunden hat, ist die ständig anwachsende Verbreitung des Säugetieres Mensch, insbesondere die Exemplare mit heller Hautfarbe. Diese Art von Zweibeinern ist dabei, die Umwelt, die Lebensgrundlage unzähliger Lebewesen als auch sich selbst auszurotten.
ILONA STAWIK-RUTTOR, Timmern
Fressfeinde mitnehmen
■ betr.: „Gefährliche Exoten“, taz vom 7. 5. 14
Es ist die falsche Frage, nach wie langer Präsenz man aufhören sollte, eine Art als Neophyt oder Neozoe zu bezeichnen. Im Extremfall kann das auch für immer angemessen bleiben, denn ausschlaggebend ist ein anderer Aspekt, nämlich wie schnell die Art wie große Distanzen überwunden hat und wer sie dabei begleitet hat. Das Problem besteht schließlich nicht darin, dass eine Art irgendwo „fremd“ ist (ein rein menschlicher Begriff), sondern dass beschränkende Faktoren ihres Biotops nicht mehr vorhanden sind und sie sich darum übermäßig vermehrt, andere Arten verdrängt und dadurch die Biodiversität schädigt. Wenn die beschränkenden Faktoren, wie etwa Fressfeinde, die Reise mitmachen, entsteht dieser Effekt dadurch nicht. Natürlich haben auch die Fressfeinde wiederum beschränkende Faktoren, deren Abwesenheit eigene Probleme bergen kann, sodass man insgesamt sagen kann, je größere Teile des ursprünglichen Biotops mitwandern, desto geringer ist die Gefahr für die Biodiversität. Bei der natürlichen Wanderung von Arten ist es ja schließlich auch genau so: Das gesamte Biotop, oder zumindest sehr große Teile davon, wandern gemeinsam. FLORIAN SUITTENPOINTER, Köln
Und weiter geht’s zum Mauerfall
■ betr.: „Die menschenfeindlichen Potenziale“, taz vom 7. 5. 14
Danke für den Artikel zur Weimarer Gedenkstätte Buchenwald. Spannend und gut geschrieben, gefällt daran die Mischung aus Historisierung und Interviewauszügen mit dem Gedenkstättenleiter Volkhard Knigge – bis zu dem einen hoffnungslos überfrachteten Satz, der auf die Darstellung der Zustände bis 1940 folgt und die komplette Zeitspanne von 1949 bis 1990 abdecken muss: „In der DDR pflegte man den offiziellen Antifaschismus.“ Und weiter geht’s zum Mauerfall. Ist das wirklich alles, was über den Umgang mit dem NS-Konzentrationslager Buchenwald in der DDR zu sagen ist? Was würde Jorge Semprún als ehemaliger Kommunist und Buchenwald-Häftling darüber denken? SEBASTIAN PAMPUCH, Hamburg
Zieldifferent unterrichten
■ betr.: „Kulturkampf um Henri“, taz vom 7. 5. 14
Als Förderschullehrer tun sich mir beim Lesen des Artikels mehrere Fragen auf: Natürlich kommt ein Schüler mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung an einem Gymnasium „nicht mit“. Vielmehr muss er dort und anderswo zieldifferent unterrichtet werden. Das hat aber nichts mit der Schulform zu tun, sondern das war schon an der Grundschule so und wäre genauso an einer anderen weiterführenden Regelschule. Was soll das also für ein Argument sein? Dass es den Eltern um den „Erhalt des sozialen Umfelds“ geht, ist verständlich und sehr wichtig. Nichtsdestotrotz muss der Schüler – egal an welcher Schule – gemäß seinen Stärken, Fertigkeiten und Bedürfnissen gefördert und unterrichtet werden. Ein „soziales Wohlfühlen“ reicht nicht. Und zum Dritten: Bei den Begriffen „sonderpädagogische Betreuer“ oder „Inklusionshelfer“ bekomme ich Bauchschmerzen, weil durch diese Personen (ungewollt) oft wirkliche Inklusion verhindert wird. In dieser Hinsicht wäre zuweilen weniger mehr. CHRISTOPH HÖHLE, Alfter-Witterschlick
Polemisch überzogen
■ betr.: „Zeit das Licht auszumachen“, taz vom Freitag, 2.5. 2014
Bei all dem verständlichen Schmerz und Zorn, der insbesondere die Betroffenen überkommt, wenn sie hören, dass an der Odenwaldschule immer noch kein radikaler Schnitt gelungen ist, möchte ich dennoch auch jetzt noch um Differenzierung bitten. Dabei geht es mir um die Wechselbeziehung zwischen Reformpädagogik und Odenwaldschule. Wer kein Kenner der Reformpädagogik ist, könnte leicht auf den Gedanken kommen, dass die Oderwaldschule der Hort der Reformpädagogik in Deutschland ist.
Die Odenwaldschule war eine prägende Schule unter den Landerziehungsheimen, die in ihrer langen Geschichte teils mehr und teils weniger reformpädagogische Elemente umgesetzt haben. Daraus die Überschrift zu machen: „Reformpädagogik: Die Odenwaldschule muss geschlossen werden“ halte ich für polemisch überzogen. Als ich in den 90ern für ein paar Tage an der Odenwaldschule hospitierte, war ich überrascht, wie wenig Reformpädagogik in der eigentlichen Unterrichtsarbeit verankert war. Die Odenwaldschule praktizierte zumindest in der Sek 1 einen sehr sehr traditionellen Unterricht. Reformpädagogik ist wirklich ein bisschen mehr als Landerziehungsheimpädagogik, das ist doch auch die Arbeitspädagogik eines Georg Kerschensteiners, die (sozialistisch geprägte) Pädagogik eines Fritz Karsen, die Pädagogik von Maria Montessori oder Célestin Freinet, oder auch die Pädagogik von im Dritten Reich verfolgten und umgebrachten jüdischstämmigen Reformern wie Janusz Korczak, Clara Grunwald, Adolf Reichwein. Will man all diese in die Nähe des Kindesmissbrauchs bringen? HARTMUT GLÄNZEL, Berlin