LESERINNENBRIEFE :
Grandios, liebe tazler
■ betr.: „Jogi, so wird das nix!“, taz vom 10. 7. 14
Den ganzen Mittwoch hab ich schon überlegt, mit welcher Schlagzeile die taz wohl heute erscheinen würde. Und sie ist dann ganz anders, noch überraschender und origineller ausgefallen, als ich es erwartet hatte. Grandios, liebe tazler, mein Respekt!
In diesem Zusammenhang möchte ich mich für die insgesamt hervorragende Berichterstattung über die WM bedanken. Ein besonders großes Lob geht an Peter Unfried, der sehr kenntnisreich kommentiert und die Probleme genau auf den Punkt bringt. Vielen Dank. Etwas bedauerlich ist, dass Holland nicht ins Endspiel gekommen ist, denn das Duell Blind gegen Lahm hätte sicherlich viel Brisanz gehabt. JOCHEN RIEGGER, Berlin
„Titanic“ oder „Bild“?
■ betr.: „Jogi, so wird das nix“, taz vom 10. 7. 14
Liebe taz, meine elfjährige Tochter fragte mich heute, ob wir jetzt die Bild-Zeitung ins Haus bekommen. So kann das nicht weitergehen! Jetzt streitet sich meine Familie schon, ob ihr die Titanic oder die Bild nachahmt. Hat in einer Palastrevolution endgültig die Wahrheitsredaktion die Macht übernommen?
WOLFRAM ROGER, Bremen
Freude am Fußball vergällt
■ betr.: „Unglaublich“, „Unerklärlich“, „Faszinierend“, u.a., wm-taz 10. 7. 14
Wenn sie es denn nur ernst nehmen würden: „Wortlos alle, die diese Partie genießen wollten. Und konnten.“ Stattdessen: Wort- und Bildbombast á la Bild-Zeitung. Im Selbstbild sehen – oder inszenieren (?) – sich Jan Feddersen, Doris Akrap und Follower als kritische Kosmopoliten, die es ach so unverkrampft fertig bringen, sich beim Fifa-Eventfußball aus dem Urgrund des Staunens zum ästhetischen Taumel zu erheben: „der Anblick schierer Schönheit mache nur staunen“. Genau diese Anbetung des „Goldenen Kalbes“ WM vergällt mir inzwischen jede Freude am Fußball. Und wenn dann Frau Akrap selbstgefällig glaubt in ihrem ersatzreligiösen Taumel zwei Jahrtausende theologischen Denkens ironisch verwursten und abwickeln zu können (deus absconditus und Theodizee), dann ist das in der Tat „UNGLAUBLICH“! Am besten meldet ihr euch als offizielle Religionsgemeinschaft an!
RAINER SÖMISCH, Dortmund
„Wir“ werden nicht Weltmeister
■ betr.: „Oranje ewig im Herzen“, taz vom 9. 7. 14
Da stehen elf Spieler aus einem Land in irgendeinem Stadion und spielen gegen elf andere. Millionen andere behaupten dann, sie hätten die anderen geschlagen oder seien mies ausgetrickst worden. Ganz Brasilien weint. Dieser Blödsinn wird von den Medien immer schön breit getreten. Nein, ich war nicht dabei, keiner der „Fans“ war dabei. Man mag sich freuen, man mag sich ärgern, aber diese völlig überzogene Identifikation mit elf Leuten auf irgendeinem Platz ist purer Blödsinn und gefährlich dazu. Obwohl ich Deutscher bin, kann ich mich auch am Spiel der Algerier erfreuen oder am Spiel der Ghanaer oder der Niederländer. Wer das nicht kann, weil es um „seine/ihre“ Niederlage oder „seinen/ihren“ Spielgewinn geht, der hat doch ein Rad ab und dem geht es gar nicht um Fußball. Dieses „Wir-Gefühl“ ist reine Fiktion (von Medien allerdings massiv gepuscht). Ich kenne Luxemburger, die glühende Bayern-Fans sind. Da spielt kein Luxemburger, da gibt es keinerlei „Blutsverwandtschaft“, da gibt es nichts, außer die völlig irreale Entscheidung und Vorstellung, dass man selbst dazu gehöre. So ist es bei jeder überzogenen Identifikation. Selbst dass Özil, Höwedes, Hummels wie ich aus dem Ruhrgebiet kommen, ist ja ganz nett, aber mehr auch nicht. Ich kenne die gar nicht und habe nichts dazu beigetragen, und dass die gut oder schlecht spielen, ist auch nicht mein „Triumph“ oder meine „Schande“.
Konsequent idiotisch ist dann zu glauben, dass „die“ Niederländer 1974 von „den“ Deutschen geschlagen wurden oder umgekehrt. Von den Spielern damals ist keiner mehr auf dem Platz; da spielen völlig andere. Und auch damals haben nicht 60 Millionen Westdeutsche 15 Millionen Niederländern eins ausgewischt. „Tief ins nationale Gedächtnis graviert“? Da ist nichts graviert. Da hämmern die Medien und Kommentatoren jedes mal neu den nationalen Quatsch in die Köpfe, der sonst längst vergessen wäre.
Also: erfreut euch am Fußball (wenn ihr wollt), drückt elf Bengels oder Mädels auf irgendeinem Platz die Daumen (wenn ihr wollt), lasst den Verstand angeschaltet, ärgert euch, freut euch oder bleibt neutral, aber niemand wird „euch/mir“ eine „Schmach“ zufügen, keiner von „uns“ hat die anderen an die Wand gespielt, kein Schiedsrichter kann „uns“ um den Strafstoß betrügen, keiner von „uns“ kann für irgendeine irgendwann von irgendeiner Mannschaft zugefügte Niederlage „Revanche“ nehmen. „Wir“ waren nie Weltmeister, „wir“ werden auch jetzt nicht Weltmeister, und Papst waren „wir“ auch nie. WILLI KLOPOTTEK, Herne