LESERINNENBRIEFE :
Mieterinteressen mehr beachten
■ betr.: „Bürgermeister für volle Bremse“, taz vom 30. 7. 14
Von einer „Bremse“ kann schon lange nicht mehr gesprochen werden. Zu viele Ausnahmen lassen eine Menge Möglichkeiten zu, dass Mieten in Ballungsräumen zukünftig für einen Großteil der Normalverdiener nicht mehr zu bezahlen sein werden. Die lange Diskussion führt zur absurden Situation, dass jetzt noch schnell Mieten erhöht werden, solange das noch geht.
Eine Freundin von uns, selbständig und alleinstehend, sucht in Berlin händeringend eine Wohnung. Eine Kollegin, vollzeitangestellt und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, findet in Wiesbaden keine Wohnung, und ein Ehepaar wird nach 20 Jahren aus seiner alten Frankfurter Wohnung dank Luxussanierung „herauskomplimentiert“. Menschen wie diese sollten doch einem Minister der SPD als Handlungsmaßstab dienen. Ich erwarte von ihm, dass er den Interessen der Mieter deutlich mehr Beachtung schenkt als bisher, die immer neuen Verwässerungsforderungen der Wohnungseigentümer zurückweist und zügig eine effektive gesetzliche Mietpreisbremse auf den Weg bringt. Der Markt wird das nicht regeln. Er findet für Wohnungen mit 12.000 Euro Kaufpreis je Quadratmeter ausreichend Abnehmer; um die kann sich die FDP kümmern, nicht die SPD. KAI HARTMANN, Frankfurt am Main
Sport gemeinsam betreiben
■ betr.: „Der Kampf um Teilhabe“, taz vom 1. 8. 14
Mit der EM-Ausladung des Weitspringers Markus Rehm wird der große Widerspruch unserer Sozialordnung sichtbar, welche sowohl auf solidarischem Zusammenleben und Inklusion wie auf gnadenlosem Konkurrenzprinzip und Ausschluss fußt. Auch sportliche Großereignisse wollen einerseits sinnstiftende Sozialevents mit olympischem Gedanken sein, glauben andererseits jedoch, eindeutige Hierarchien von Gewinnern und Verlierern produzieren zu müssen. Ganz klar ist biomechanisch eine Vergleichbarkeit der Leistungen zwischen Prothese und Gelenksystem nicht gegeben. Aber bedeutet dies auch, dass genau hier der Anspruch, gemeinsam Sport zu treiben, zwingend aufgegeben werden muss? Oder sollten wir nicht lieber unsere Fixierung auf die Rangordnung von Wettbewerbsergebnissen in Frage stellen? Warum kann bei einer Meisterschaft nicht der/die Springerin mit der längsten Sprungweite, dem besten Ergebnis ohne und mit Prothese gewürdigt werden? Schon lang nehmen beim Marathon Menschen auf Laufschuhen und in Rollstühlen gemeinsam teil. Vielleicht, weil die Schubladen hier noch besser fassbar sind, hat sich die mediale Aufmerksamkeitsökonomie damit arrangiert.Um so feiner differenziert Ergebnisse jedoch werden, desto mehr wird eine Tendenz zur Heldenproduktion unterwandert und dem tatsächlichen Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen Anerkennung gezollt. Und nur so wäre eine erneute Olympiabewerbung Berlins überhaupt denkbar: Als erste Inklusionsspiele der Geschichte, bei denen durch die Aufhebung der Zweiteilung in normal und paranormal einer anachronistischen Wehrsport-Logik der Propagandaspiele von 1936 entsagt würde. Zugunsten von in Teamprozessen am täglichen Interessenausgleich orientierten Menschen. DIRK CHRISTOPH LUBIEN, Berlin
Halt durch, Cristina!
■ betr.: „Fieser Finanzhai“, taz vom 2. 8. 14
Gewiss sollten Schulden auch zurückgezahlt werden. Aber im Fall von Paul Singer und seinen Hedgefonds geht es darum eigentlich gar nicht. Die Anleihen wurden zu Niedrigstpreisen schließlich nur darum gekauft, weil man den finanziellen Bankrott von Argentinien vorhersehen konnte. Die anderen Gläubiger, die sich auf den Schuldenschnitt einließen, haben nicht nur Argentinien ermöglicht, wieder Fuß zu fassen, sie haben auch bisher einen normalen Zins erhalten. Sind also keineswegs schlecht bedient worden.
Wenn Herr Singer jetzt behauptet, Staaten müssten eben dazu gezwungen werden, von vornherein nur überschaubare Schulden zu machen, und dies ausgerechnet am Beispiel der massiven Unterstützung von George Bush und den Republikanern demonstriert, so wird die Verlogenheit schnell deutlich. Nicht nur ist die Verschuldung Amerikas durch den mit falschen Behauptungen herbeigeführten Krieg immens, Leute wie Singer sorgen außerdem dafür, dass sie mit Steuerbelastungen schön unbehelligt blieben. Die Zeche zahlten und zahlen die kleinen Leute in den USA. Also Kampf den Geiern ist schon die richtige Parole. Und kein TTIP und Tisa ebenfalls.
MARION MEYFAHRT, Kassel
Wenn ich das gewusst hätte
■ betr.: „Männer, ihr habt voll versagt“, taz vom 29. 8. 14
Vor einigen Tagen machte ich den Fehler, mal wieder die Kolumne zur guten Ausländerin von Jacinta Nandi zu lesen. Eigentlich überblättere ich ihre Äußerungen, da nicht nur mein persönliches Maß, das Wort Ficken zu ertragen, sondern auch meine Sexismus-Toleranzgrenze im Allgemeinen immer schon in den ersten Zeilen erreicht sind. Vielleicht wollte ich ihr eine Chance geben?
Leider gelingt es mir nicht, in öffentlich vertretbarem Vokabular zusammenzufassen, was mir zu ihrer aktuellen Veröffentlichung durch den Kopf geht, und ich halte mich an die Statuten der Netiquette – vielleicht nur dies: Wenn ich damals gewusst hätte, dass derart niveauloses, inhaltsleeres und verachtendes Geschreibsel die Folge sind, hätte ich meine BHs nicht verbrannt. Schwestern: haben wir das gewollt? Wahrscheinlich bin ich aber doch nur chronisch unterfickt. KATHRIN KELLER, Gau-Bischofsheim