LESERINNENBRIEFE :
Dänische Grenzkontrollen
■ betr.: „Wie Populismus funktioniert“, taz vom 7. 7. 11
Anerkennung und Dank an Rüdiger Rossig für seine treffende Analyse von Populismusmechanismen am Beispiel der dänischen Grenzkontrollen. Zwei Aspekte erlaube ich mir dennoch zu ergänzen:
1. Bisherige Nichtkontrolle der Grenzen Dänemarks. Es gibt zwei Gründe dafür, dass das kleine Königreich seine 5.000 Kilometer Grenze bisher kaum kontrolliert hat. Einerseits die traditionelle „Nordische Zusammenarbeit“ der skandinavischen Länder, die man schon fast als kleine „Nord-EU“ bezeichnen könnte, und die seit der Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1955 an zwischen Deutschland und Dänemark grenzübergreifend gewachsene Minderheitenpolitik. Dass die rechtsliberale Venstre-Regierung diese Errungenschaften opfert, legt zwei mögliche Schlussfolgerungen nahe. Entweder ist der Einfluss der Rechtspopulisten von der Dansk Folkeparti noch größer als geahnt, oder die Regierung setzt tatsächlich darauf, im nächsten Folketing ohne die DF klarzukommen und dann die Kontrollen wieder abzuschaffen. Seriös ist beides nicht.
2. Verständnis liberaler Politik. Wenngleich bürgerlich geprägt und verankert, gilt die „Venstre“ in Dänemark als liberale Partei ähnlich der FDP, nur mit mehr Bedeutung als diese. Kein Wunder, dass die FDP sich gern an die große Schwester aus dem Norden anlehnt. Dass allerdings der schleswig-holsteinische FDP-Landesvorsitzende Jürgen Koppelin den Bürgerlich-Liberalen in Dänemark nach der jüngsten Folketing-Wahl vorbehaltlos gratuliert hatte, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, dass die Venstre-Regierung sich von Rechtspopulisten abhängig machen würde, wirft kein allzu überzeugendes Licht auf jene FDPler, die sich nun lautstark über die Kontrollen aufregen.
ROLAND BÖSKER, Bremen
Geschützter Fötus
■ betr.: „Selbstbestimmung geht vor“, taz vom 8. 7. 11
Heike Haarhoff schreibt, es sei ein Wertungswiderspruch, Föten nach Pränataldiagnostik bis kurz vor der Geburt abtreiben zu dürfen, den Embryo im Reagenzglas aber bei gleicher Diagnose nicht zu verwerfen. Das ist falsch. Zum einen ist der Fötus schon durch den bereits entstandenen Konflikt der „Zweiheit in Einheit“, der Verbindung von Mutter und Kind also, geschützt. Es bedarf einiger Überwindung, ein Kind abzutreiben. Der Embryo hat keinen derart natürlichen Schutz. Hinzu kommt, dass das geltende Recht bei Schwangerschaftsabbrüchen überstrapaziert, ja missbraucht wird. Der Gesetzgeber hatte eigentlich gerade solche Situationen vermeiden wollen.
WINFRIED KLEIN, Heidelberg
Ein Etappensieg
■ betr.: „Im Zweifel für PID“,taz vom 8. 7. 11
Das war ein Etappensieg für die Vernunft. Denn es ist logisch, dass mit der PID etwas Kleineres erlaubt wird, als mit der Abtreibung bereits vorhanden ist („Erst-Recht-Schluss“).
Als Nächstes muss noch das Wort „wahrscheinlich“ durch das Wort „möglich“ ausgetauscht werden. Eine PID sollte stattfinden dürfen, wenn ein Erbschaden bzw. eine Fehlgeburt möglich ist, nicht erst, wenn es wahrscheinlich ist.
Derzeit sind die irrationalen Kräfte um Hüppe und Co leider noch zu stark für diese einzig humane und grundrechtskompatible Lösung. Leider ist für zu viele Menschen jedes Spermium heilig (vgl. „Sinn des Lebens“ von Monty Python).
HANNES KÜPER, Werne
PID ist humaner
■ betr.: „Im Zweifel für PID“
Eine richtige Entscheidung: Hier geht es um Ehrlichkeit, um Verständnis für Eltern, die unter Erbkrankheiten in der Familie leiden bzw. sich die Erziehung eines behinderten Kindes nicht zutrauen. Schon jetzt fahren deutsche Paare ins Ausland,um dort zu tun, was bei uns verboten ist. Auch erlaubt der Gesetzgeber Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten, wovon ja häufig behinderte Föten „betroffen“ sind. Hier sind sogar Spätabtreibungen erlaubt! Im Vergleich dazu ist die PID die humanere Lösung, wenn man „nur“ eine befruchtete Eizelle vor sich hat und keinen kleinen Menschen. Die PID beschränkt sich ja auf die künstliche Befruchtung, also auf wenige „Fälle“. Wer sich über die Zulassung der PID aufregt, sollte doch lieber zuerst selbst behinderte Menschen rücksichtsvoll behandeln. NAME und
Anschrift sind der Red. bekannt
Vom Leben bestraft
■ betr.: „Die Überlebensaufgabe“,taz vom 7. 7. 11
Der Artikel gibt dem verhetzten deutschen Medienkonsumenten ein Beispiel für einen wunderbaren, vorbildlichen Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis. Gleichzeitig zeigt er durch Beleuchtung der Vorgeschichte des Täters die ganze Problematik der Strafjustiz auf: Je mehr man fragt, warum und wie ein Mensch zu seinen Straftaten kommt, desto mehr Verständnis erwächst daraus. Warum soll ein Mensch, der schon vom Leben scheinbar so bestraft wurde, dass er durchgedreht ist, mit dem Tod bestraft werden, vor allem wenn er bereut und das Opfer ihm vergeben hat? Dass beide Menschen aus diesem Geschehen ihre Lektion gelernt und an Reife gewonnen haben, wird dabei ignoriert. Beschämend, dass Christen dieses Rechtssystem praktizieren.
SABINE MIEHE, Marburg