LESERINNENBRIEFE :
Verachtung der Lebenden
■ betr.: „Geschützter Fötus“, Leserbrief, taz vom 9. 7. 11
Herr Klein zieht Spätabtreibungen der PID vor, weil bei der Abtreibung die Mutter schon eine angeblich biologisch nachgewiesene Beziehung zum Kind aufgebaut haben soll. Von der fehlenden Fundiertheit der Aussage mal ganz abgesehen, so musste dieses Argument ja früher oder später kommen: Wenn sie schon die unsterbliche Seele befruchteter Eizellen direktemang in den Limbus schicken, dann bitteschön wenigstens mit einer möglichst großen Belastung für die Eltern verbunden. So als Abschreckung. Vielleicht möge es ihnen auch eine Lehre sein, ihrem Kind einfach einen frühen sicheren Tod zu ersparen. Wieder einmal sehe ich mich in der Ansicht gestärkt, dass jene, die die Absolutheit des Schutzes des menschlichen Lebens so hoch halten, dass sogar befruchtete Eizellen sakrosankt sind, keinen Spielraum mehr haben zu erkennen, wodurch die Menschenwürde wirklich in Gefahr ist. Durch ihre Verachtung der Lebenden zugunsten der potentiell Lebenden nämlich.
CHRISTIAN LEICHSENRING, Helsinki
Bedenklicher Wunsch
■ betr.: „Entscheidung des Tages: Selbstbestimmt über PID entscheiden“, taz vom 9. 7. 11
Bedenklich ist der Wunsch weniger Menschen, trotz Zeugungsunfähigkeit, pathologischer Konstitution oder genetischer Belastung wegen, Kinder zeugen zu wollen. Es gibt kein Recht auf Reproduktion und keinen Grund, sie künstlich herbeizuführen! PID spielt erst eine Rolle, wenn Reproduktionsfähigkeit, oben genannter Gründe wegen, ausbleibt. Egoismus, Wahn, gesellschaftlicher oder religiöser Zwang sollten hier Selbsterkenntnis, Verantwortung, Ethik und Einsicht weichen. HANNAH JOSEPHINE DIPPE, Uetersen
Freistaat kommt zu gut weg
■ betr.: „Gemeinsames Lernen, erster Akt“, taz vom 6. 7.11
In dem Artikel, der die Situation für Bayerns Eltern realistisch beschreibt, kommt der Freistaat mit seinem Inklusionsentwurf viel zu gut weg. Nicht nur werden in Bayern die sog. Außenklassen (Sonderklassen an Regelschulen mit Kooperation) als inklusiv gewertet, vielmehr fehlt jede strukturelle Schulreform an der Regelschule (Grundschule). Weder wird auf Noten für Siebenjährige und umfangreiche Leistungstests verzichtet, noch gibt es die zweite pädagogische Kraft im Unterricht, nur ansatzweise sonderpädagogische Arbeitseinheiten von außen. Die Regelschule soll der Durchlauferhitzer für die weiterführenden Schulen bleiben, und behinderte Kinder werden da irgendwie eingepasst. Wenn die Passung misslingt, bleibt ja die Förderschule, die daraus eine neue Rechtfertigung ziehen kann, bietet sie doch einen geschützten Lebensraum meist mit Tagesstätte. Man sollte also nicht von der Einrichtung inklusiver Schulen, sondern von der Einpassung behinderter Kinder in eine hoch selektive und auch für „normale“ GrundschülerInnen nicht geeignete Schulwelt sprechen. GÜNTHER SCHEDEL-GSCHWENDTNER, Nürnberg
Was die SPD braucht
■ betr.: „SPD-Linke gegen Steinbrück“, taz vom 11. 7. 11
Zunächst braucht die SPD dringend ein alternatives tragfähiges Regierungsprogramm, dass die Menschen überzeugt und ein Gegenprogramm zur abgewirtschafteten Merkel Regierung darstellt. Es wäre sehr sinnvoll , wenn die „moderne“ und „linke“ SPD in der Energiewende ganz auf die Erneuerbaren Energien setzen und auf neue Kohlekraftwerke endgültig verzichten würde. Es wäre fatal, wenn ausgerechnet jetzt die SPD wieder alles zerreden würde und 2013 in der Opposition landet. Steinbrück wäre ein brillanter und vorzüglicher Kanzlerkandidat, der mit Sicherheit besser regieren würde, als es jetzt Merkel tut. Als ehemaliger Bundesfinanzminister hat er uns sehr gut durch die Krise geführt. MARTIN BRÖMER, Iserlohn
Behörden spielen Schicksal
■ betr.: „Energiehunger vs. Trinkwasser“, taz vom 11. 7. 11
Lizenzen zu vergeben bringt offenbar Geld. Aber wie ist das möglich, dass Behörden Lizenzen zur Probebohrung auf so gigantischen Flächen von 97.000 km[2]geben, mit desaströsen Folgen? Wohl nach dem Motto: Alles was nicht explizit verboten ist, muss genehmigt werden. Und das ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Auch vom Umweltbundesamt war dazu bisher nichts zu hören. Wieder bleibt es den Bürgerinitiativen vorbehalten, aufzuklären und gegen diese umweltzerstörerischen Vorhaben der Konzerne Front zu machen.
ANITA SCHWAIER, Angermünde
Sparen verhindert Pleite nicht
■ betr.: „Rom steht noch, doch es wankt“, taz vom 12. 7. 11
Wie sinnlos diese sogenannten Rettungsversuche sind, wird am Beispiel Griechenlands deutlich. Das Land häuft innerhalb weniger Wochen noch mehr Schulden auf, weil infolge der Sparmaßnahmen nun die Einnahmen durch Steuern wegbrechen. Es ist noch nie gelungen, eine Pleite durch Sparen zu verhindern, Einnahmen müssen her. Aber der kaputte Kapitalismus muss gerettet werden, komme, was da wolle, und immer auf Kosten der Allgemeinheit, die sich nicht gegen die Zwangsversteuerung und Abgabenerhöhungen wehren kann. ALBERT WAGNER, Bochum