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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Angst vor Terror und vor dem Staat

■ betr.: „Innenminister entdeckt die rechte Gewalt“, taz v. 28. 7. 11

Die Forderung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, einen Alarmknopf für das Internet einzuführen, käme einer neuzeitlichen Hexenverfolgung gleich. Internetbenutzer müssten Angst haben, von jedem denunziert zu werden, und das aus den verschiedensten Gründen heraus. Kleinste Verdächtigungen würden schon ausreichen, um in den Fokus der Exekutive zu gelangen. Unsere Meinungsfreiheit wäre in Gefahr, da die Angst, aufgrund einer abgegebenen Meinung denunziert zu werden, immer präsent wäre.

Wie sollte ein Internetbenutzer das Muster eines extremistischen Inhalts erkennen? Was für den einen ein extremistischer Inhalt ist, kann für den anderen noch lange kein Grund sein, einen Alarmknopf zu betätigen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich sowohl die Angst vor dem Terror, als auch der Staat unserer Gedanken, in Wort und Schrift, bemächtigen. ASTRID TON, Maintal

Psychologisch heikle Verarbeitung

■ betr.: „Die Jetzt-erst-recht-Demokratie“, taz vom 28. 7. 11

Die Reaktion eines Großteils der norwegischen Gesellschaft und Politik auf den Terror-Amoklauf mag politisch reif und in ihrer Zurückhaltung vorbildlich sein, psychologisch ist sie – bisher – weitgehend einseitig und somit heikel. Wenn der Ministerpräsident sagt, das „Ereignis“ habe dem ganzen Volk gezeigt, wie „stark“ es „in der Not“ sein könne, verkehrt er auch etwas in sein Gegenteil. Die unfassbare Jagd auf Jugendliche hat uns alle mit dem genauen Gegenteil von Stärke konfrontiert, nämlich mit entsetzlicher Hilflosigkeit.

Und wenn es aus der betroffenen Jugendorganisation der Regierungspartei heißt, man wolle sich an die Opfer nicht mit Tränen, sondern mit einem Lächeln erinnern, so ist dies verständlich, aber ungewollt gar nicht mehr so weit entfernt vom kranken Grinsen des Täters nach seiner roboterhaft vollzogenen Menschenjagd. Jeder hat angesichts dieser ungeheuerlichen Tat extreme und unbändige Empfindungen von Abscheu, Hass und Zorn, und es ist schwer, dafür einen angemessenen Platz und Ausdruck zu finden. Bleiben diese Regungen aber unter dem allgemeinen Bemühen um Menschlichkeit und Vernunft dauerhaft verborgen und beiseite geschoben, müssen sie sich eines Tages an anderer Stelle in verdrehter Form Ausdruck verschaffen. Das kann Individuen krank machen, aber auch eine Gesellschaft. Zu den Symptomen zählen dann womöglich erneut Absonderung und Gewalt. NIKO FEISTLE, Hamburg

Einreißen und entsorgen

■ betr.: „Unterm Strich“, taz vom 28. 7. 11

Der erste Satz, „Richard Wagners Festspielhaus muss dringend saniert werden“, kombiniert mit dem letzten Satz, „Sollte eine finanzielle Unterstützung ausbleiben, drohe die Schließung des Hauses“, lässt Hoffnung blühen. Seit Jahrzehnten von der öffentlichen Hand und von bisweilen doch etwas dubiosen Persönlichkeiten massiv unterstützt, könnte dieser bizarre Musikzirkus getrost zur letzten Ruhe gebettet werden. Es ist unverständlich, wie sich mündige (?) Menschen in eine Warteliste aufnehmen lassen, um nach Jahren sehnsüchtigen Wartens eine teure Karte für eine skurrile Operndarbietung in Empfang zu nehmen. Wobei allerdings seltsam ist, dass „Entscheidungsträgern“ aus Wirtschaft und Politik das Hügelerlebnis geradezu aufgedrängt wird. Hieße Frau Angola Merkel nur Lieschen Müller und ginge sie einem bürgerlichen Beruf nach, sie stünde immer noch auf der Warteliste.

Frisch ans Werk: Noch einige Erinnerungsfotos knipsen, dann die fragwürdige Hügel-Architektur vorsichtig einreißen und umweltverträglich entsorgen. REINHARD SCHARNHÖLZ, Kerpen