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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Euer Merkelwürden

■ betr.: „Die Kuschel-Kanzlerin“, taz vom 10. 12. 14

Der Vergleich zwischen Frau Merkel und Adenauer macht wenigstens wieder ein wenig wach. Mögen die Plattitüden der beiden Regierungschefs sich ähneln, ein Unterschied ist doch unübersehbar: Adenauer hat regiert nach einer totalitären Zeit in einer jungen Demokratie, als der Geist des Grundgesetzes noch spürbar war. Unter Merkel dämmert die Demokratie quälend ihrer Impotenz entgegen, und dem Grundgesetz zeigen Geheimdienste, Konzerne, Banken und Folterer unwidersprochen die lange Nase. Die dürfen das einfach wegen „höherer Werte“ – und jetzt Mund halten. Gleiches Recht für alle und Chancengleichheit war gestern und soziale Marktwirtschaft auch. Denken in Alternativen, auskömmliche Solidargesellschaft? Gehört nicht mehr ins Repertoire der „frei gewählten“ „marktkonformen Demokratie“. „Uns geht es gut, wir müssen uns aber anstrengen …“ KAI HANSEN, Nürtingen

Engstirnige in Dresden

■ betr.: „Der Druck der Generalverbitterten“, taz vom 10. 12. 14

Die einzigen echten „Wirtschaftsflüchtlinge“, die ich kenne, kommen alle aus den neuen Bundesländern. Haben in den 90ern ungern ihre Familie und Heimat verlassen, um im Westen der Republik zu studieren, sich ausbilden zu lassen und um zu arbeiten. Diese Menschen sind oft Atheisten, haben mehrheitlich überhaupt keinen Bezug zum christlichen Glauben, eine differenziertere Sicht auf die DDR, andere politische und gesellschaftliche Ansichten, zum Teil auch unterschiedliche kulturelle Gewohnheiten und eine gute Schulbildung. Ich habe mich immer über diese innerdeutschen Wirtschaftsflüchtlinge gefreut. Genauso offen bin ich, wenn Menschen aus dem Ausland einwandern oder wegen der Kriegsnot fliehen. Ich kann deshalb die Engstirnigkeit derer nicht begreifen, die in Dresden Angst vor Menschen haben, die sie eigentlich gut verstehen müssten. Waren doch auch Ostdeutsche über Jahre Opfer von Verallgemeinerung, Schuldzuweisungen und Vorurteilen der Besserwessis „aus der Mitte der Gesellschaft“. MARKUS MEISTER, Kassel

„Ich misstraue ihren Motiven“

■ betr.: „Der Druck der Generalverbitterten“, taz vom 10. 12. 14

Die abendländischen Werte, um deren Bewahrung es den Vertretern von Pegida unter anderem vorgeblich geht, müssten eigentlich bedeuten, von Not bedrohten Menschen zu helfen. Was sonst sind denn die verteidigenswerten Werte des Abendlandes, worin besteht die bewahrenswerte „jüdisch-christliche Tradition“? Durch wen wird denn die Emanzipation der Frau in unserer Gesellschaft infrage gestellt? Sind dies tatsächlich die Kopftuch tragenden Zuwanderinnen, oder ist es nicht vielmehr ein Volker Kauder, der gegen eine (äußerst zurückhaltende) Quotenregelung zetert? Oder die vielen männlichen Stimmen aus „der Mitte unserer Gesellschaft“, die gegen einen vermeintlichen Gender-Wahnsinn polemisieren? Werden Homosexuelle vornehmlich durch Muslime ausgegrenzt, oder ist nicht die Verhinderung einer echten Gleichstellung (Adoptionsrecht) durch Frau Merkel das viel größere Problem?

Es ist eigenartig, wer da alles seine feministische, libertäre, tolerante, freiheitliche Seite entdeckt – wenn sie sich denn gegen „das Fremde“ in Stellung bringen lässt. Da kann man sich trefflich in der eigenen Überlegenheit sonnen und dies nicht nur mit dem Verweis auf die wirtschaftliche Stärke, nein besser: Hier ist man auch noch moralisch überlegen. (Aber es ist einem schon lieber, wenn sich der Sohn nicht mehr mit dem Nachbarsjungen nach dessen Outing abgibt.)

Wer die Überlegenheit des „jüdisch-christlichen“ Abendlandes feiert, der hat wohl auch vergessen, dass es eben unser spezielles „Abendland“ war, das in gar nicht so ferner Vergangenheit zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen und dabei mal en passant so für circa 67 Millionen Tote haupt- beziehungsweise allein verantwortlich war. Dem 20. Jahrhundert hat unser Land wahrlich einen dicken Stempel aufgedrückt; auch das eine Tradition, in der wir stehen. Aber damit soll man diesen Leuten heute bitte nicht mehr kommen, man hat ja seine Lehren daraus gezogen. Doch was sind die Lehren, die diese Menschen daraus ziehen: deutsche Überlegenheitsfantasien und Ausgrenzung Schwächerer unter dem Vorwand der Verteidigung von Freiheit und Menschenrechten. Ich glaube nicht ihren Worten und ich misstraue ihren Motiven. Und auf dieser Basis mit ihnen diskutieren? Nein danke! MICHAEL TRZEBIATOWSKI, Fürth

Pferde mit Magengeschwüren

■ betr.: „Trabrennsport. Der Mann mit dem goldenen Helm“, taz vom 9. 12. 14

In einer Zeitung, die aus ökologischer Überzeugung heraus nicht über Motorsport berichtet, muss ich einen nicht nur unkritischen, sondern geradezu enthusiastischen Artikel über den Trabrennsport lesen. Der Mann mit dem goldenen Helm hat die Frau mit der rosa Brille offenbar derart beeindruckt, dass sie dessen Training, über das sie schreibt, nicht näher hinterfragt. Frau Kröger: Pferde haben keinen Bock, morgens um 6 mit dem Training anzufangen und mit einem Metallstück im Maul einen Sulky im Kreis zu ziehen. Pferde ziehen in Herden durch die Steppe und grasen 18 bis 20 Stunden am Tag. Wenn man sie daran hindert – etwa durch Training –, bekommen sie Magengeschwüre; bei bis zu 90 Prozent der Rennpferde nachgewiesen. Das ist nur einer von vielen negativen Aspekten am Pferdesport. Von der taz hätte ich erwartet, dass sie über diesen „Sport“ erstens besser recherchiert und zweitens ihn als das darstellt, was er ist: Tierquälerei. NINA VON HARLESSEM, Siegen