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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Medikalisierungsstrategie

■ betr.: „Schwarzbrot und Skorbut“, taz vom 6. 3. 15

Leider verfällt Ulrike Baureithel in ihrem Artikel über das Erfinden von neuen behandlungsbedürftigen Krankheiten ebenso den Medikalisierungsstrategien von Pharmakonzernen, Ärzteschaft, Medien und nicht zuletzt Bürgern, indem sie auch eine „Kehrseite“ dieser Kritik ausmachen will. Es gebe Krankheiten, die als solche gar nicht erkannt und behandelt würden und deren Träger Gefahr liefen, stigmatisiert zu werden, wie Alkoholismus und schwere Depression. Genau diese Angstmacherei, dass sich schwere Erkrankungen hinter weniger belastenden Beschwerden „verstecken“ könnten, wird meines Erachtens oft als besonders perfide Medikalisierungsstrategie eingesetzt. Es ist eine Behauptung, die keine Gegenargumentation zulässt und die zu häufig gerade zur Verschreibung von Antidepressiva angeführt wird.

Psychische Erkrankungen sind keine festgelegten Entitäten, sondern diagnostische Kategorien, die wissenschaftlich, aber sozial ausgehandelt wurden. Deshalb gibt es auch „bisher keine biologischen Marker, um sie dingfest zu machen“, wie Frau Baureithel schreibt. Dass jede Neuauflage eines Diagnosesystems, wie das DSM-5 von 2013, mit neuen Diagnosen angereichert ist, hat demnach viel mit Herauf- und Heruntersetzen von Kriterien zu tun und ist nicht der Tatsache geschuldet, dass neue Krankheiten entdeckt oder aus ihrem Versteck geholt werden. ANDREA SACHER, Unna

Bisschen mehr Basisdemokratie

■  betr.: „Miese Stimmung bei der Polizei“, taz.de vom 4. 3. 15

Ein bisschen mehr Basisdemokratie käme der Polizei sicherlich zugute. Welcher Polizist würde einen Gesamteinsatzleiter wählen, der einen unnötig durchs Feuer schickt?ARNE MATSCHINSKY, Hamburg

Einer meckert immer bei Putin

■ betr.: „Putin-Berater ist unerwünscht“, taz vom 6. 3. 15

Es ist schwierig, in diesen Zeiten irgendwas mit Putin zu schreiben, ohne dass einer meckert. Die Artikel-Überschrift lautet „Putin-Berater ist unerwünscht“, und in den Unterzeilen erfahre ich, dass es dabei um den „rechten Vordenker und Großrussland-Ideologen Alexander Dugin“ geht. Aha. Im Artikel allerdings heißt es, „manche halten ihn für einen Berater von Präsident Putin“. (Hier könnte Ihre Werbung für den Genitiv stehen.)

Immer schön, Wieselworte wie „manche halten ihn“ putzmunter in freier journalistischer Wildbahn zu sichten. Weniger schön ist, dass die taz offensichtlich ebenso wenig wie ich weiß, ob der alte Zausel wirklich ein Berater Putins war oder ist, aber trotzdem eine klare Meinung hat. Und eher unschön ist, dass jemand, der nur Überschrift und Unterzeilen gelesen hat, sich jetzt natürlich ganz sicher ist, welche Rolle Dugin im Kreml spielt. MICHAEL SCHÖFFSKI, Köln

Drei Becher Joghurt

■ betr.: „Schwesig will mehr für Alleinerziehende“, taz vom 5. 3. 15

Sechs Euro „Erhöhung“? Das ist doch ein Witz – das reicht für drei Becher Joghurt! Wann macht man in Deutschland endlich eine vernünftige Familienpolitik? JULIA ENGELS, Elsdorf

Katastrophaler Braindrain

■ betr.: „Auf das Kleingedruckte kommt es an“, „Die Besten sind willkommen“ und „Deutschland ist nicht Kanada“, taz vom 4. 3. 15

Die Artikel dieser taz-Ausgabe zum Thema Einwanderung gehen von den Interessen deutscher Politik und der deutschen Wirtschaft aus. Man kennt den Eurozentrismus. Die taz betreibt Deutschland-Zentrismus: Vorteilsnahme um jeden Preis, zu zahlen von anderen. Keiner der beiden Autoren macht sich Gedanken darüber, was der Exodus von aktivem Wissen und Können für die Herkunftsländer zur Folge hat. Welche Auswirkungen hat diese Auswanderung zum Beispiel auf die ärztliche Versorgung? Und auf das dringend benötigte Wirtschaftswachstum?

Ich habe, als an deutschen Unis noch richtig Volkswirtschaft gelehrt wurde, den Begriff „Braindrain“ gelernt, und dass er für Entwicklungsländer eine Katastrophe ist. Mit dem Anlocken von Fachkräften berauben wir arme Länder zusätzlich zu all unseren bisherigen Verbrechen gegenüber der Dritten Welt und Süd- und Osteuropa. Und wenn arme Leute aus diesen Ländern dann ihren Fachkräften hinterher ziehen, dann trifft sie die Moral der europäischen Wertegemeinschaft mit voller Wucht. Wie soll ein Land wie Griechenland jemals eine Wirtschaftskraft erreichen, die eine Schuldentilgung wenigstens in den Bereich des Möglichen rückt, wenn es kontinuierlich einen großen Teil seiner potenziell produktiven Bevölkerung abfließen lassen muss? BERND SCHÜNGEL, Berlin

Für Frieden einsetzen

■ betr.: „Die Bundeswehr wird Putin nicht stoppen“, taz vom 28. 2. 15

Danke, Andreas Zumach! „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“ – nie wieder! Wer hält sich noch an die Charta der Menschenrechte? Wem ist unsere Verfassung wichtig? Ihr wurdet von uns gewählt, um euch für den Frieden auf der ganzen Welt einzusetzen. Das hat die Regierung umzusetzen. NORBERT VOSS, Berlin