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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Wesentlich plausibler

■ betr.: „Unter deutschen Krüppelwalmdächern“, taz.nord vom 17. 12. 11

Ich ärgere mich gerade über besagten Artikel in der Printausgabe der taz. Es wird darin der Anschein erhoben, von dem Privatkredit hätte finanziell gesehen auch Familie Geerkens profitiert. Der Text macht die Aussage, dass Zinssätze zu der Zeit im Durchschnitt bei 3,9 Prozent lagen, also niedriger als der dann getätigte Privatkredit. Das fand ich schon beim Lesen merkwürdig, wieso hätte Herr Wulff sich dann auf den Privatkredit einlassen sollen? Die Antwort erhielt ich gerade bei Spiegel Online: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,804327,00.html. Wulff hätte demnach zirka 6,5 Prozent Zinsen zahlen müssen und hätte dadurch wohl rund 50.000 Euro gespart, wäre der Vertrag nicht vorzeitig aufgehoben worden. Das erscheint mir wesentlich plausibler. FLORIAN WOLTERS, Bremen

Vielschichtigkeit nicht beleuchtet

■ betr.: „Nicht bei uns“, taz.nord vom 8. 12. 11

Ich werde die zukünftige Nachbarin der ehemaligen Häftlinge sein und diese Tatsache löst unterschiedliche Emotionen aus. Doch diese Vielschichtigkeit wird leider nicht beleuchtet. Sondern lediglich reduziert auf „Angst“ oder „die sollen weg“. Als Mutter zweier Kinder habe ich Ängste, als Frau habe ich Ängste. An wen wende ich mich? Wer baut sie ab?

Um die unterschiedlichen Wutreaktionen bei der Veranstaltung am 6. 12. zu erklären, möchte ich anbringen, dass ich am Donnerstag den 1. 12. aus der Presse erfuhr, dass es ein Konzept zur Unterbringung gibt und dass es in Jenfeld umgesetzt wird. Am Freitag erfuhr ich, wieder aus der Presse, dass die Umsetzung in einem ehemaligen Altenheim (das immer noch ein bewohntes Altenheim ist, also nicht ehemalig) erfolge. Und ich ahnte die Adresse. Abends fand ich eine Einladung zu der Informationsveranstaltung, diese war mehr als neutral formuliert und enthielt keinerlei konkrete Tatsachen, nicht mal den genauen Standort der Wohneinrichtung. Meine Informationen beschaffte ich mir bis Dienstagabend ausschließlich aus der Presse und aus „zweiter Hand“. So wurden aus drei Menschen fünf ehemalige Häftlinge und mein aktueller Stand ist, dass bis 2012 wahrscheinlich insgesamt 13 Menschen in die Freiheit entlassen werden könnten. Wer ist verantwortlich dafür? Wer beantwortet die Frage nach der Sicherheit meiner Familie und Freunde?

Verantwortlich sind sicher NICHT die ehemals Sicherungsverwahrten. Sie sind und werden entlassen, weil dies geltendes Recht ist. Wie soll die Menschenwürde dieser Menschen gesichert werden? Können sie in einer solchen Atmosphäre resozialisiert und auf einen Alltag vorbereitet werden? Bleiben die finanziellen Mittel für die Sozialpädagogen und Therapeuten gesichert? Was ist in einem Jahr? Man darf schließlich nicht vergessen, dass die Karawane in einem Jahr weiterzieht. Wohin? Das weiß noch niemand, es wird wohl ein anderer Stadtteil Hamburgs sein. Oder etwa nicht? Bleibt uns diese noch namenlose Einrichtung erhalten? Worauf können und müssen sich alle Beteiligten, Unterzubringende und Anwohner, einstellen?

Jetzt sitze ich hier, bin ratlos, suche meine eigene Meinung zu diesem Thema. Denn eins ist sicher, vor sechs Jahren, als ledige Frau ohne Kinder, hätte ich eine andere Meinung gehabt als heute. Aber ohne die Kinder würde ich nicht in dieser Straße wohnen, sondern in einem zentralen Stadtteil Hamburgs, in dem das Leben tobt, und hätte mich auch nicht damit in dieser Weise auseinander setzen müssen. Meine Überlegungen wären Theorie geblieben. Und diese Erkenntnis birgt eine gewisse Ironie. DIANA SCHEUERMANN, Hamburg

Künstliche Konstruktion

■ betr.: „Leider gar nicht so selten“, taz.nord vom 15. 12. 11

Endlich ein reflektierter Kommentar, der ohne kulturtheoretische Vorurteile auskommt. Respekt, Herr Knödler. Die Unterteilung in (christlich-deutsche) „Familientragödien“ und (islamisch-ausländische) „Ehrenmorde“ ist eine künstliche Konstruktion und bedient lediglich gängige Vorurteile. Leider war das teilweise in der Vergangenheit auch in der taz zu lesen. Umso erfreulicher dieser aktuelle Kommentar. HELGE LIMBURG (MdL), Die Grünen, Hannover