piwik no script img

LEIHARBEITSubvention für Dumpinglohn

Bremen ist eine Hochburg der "Arbeitnehmerüberlassung": Knapp 4.000 Aufstocker bekommen ergänzende Sozialleistungen. Heute demonstrieren sie

...ist für 11.000 LeiharbeiterInnen im Land Bremen Zukunftsmusik. Bild: dpa

Der Verhandlungsführer der FDP hatte eine klare Linie: "Das Thema Equal Pay in der Zeitarbeit sollte nicht noch einmal auf den Tisch," sagte der Bevollmächtigte der Liberalen vor der letzten Verhandlungsrunde über die Hartz IV-Reform. Er konnte sich durchsetzen: Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern endeten gestern, ohne dass Zeitarbeitsfirmen künftig verpflichtet wären, ihre Beschäftigten nach einer Übergangsfrist genauso viel zu zahlen, wie der Stammbelegschaft.

Karsten Behrenwald will sich damit nicht abfinden. Der IG Metall-Sekretär aus Bremerhaven hat für heute zu einer Kundgebung aufgerufen. 500 Metallarbeiter, so schätzt er, werden sich beteiligen. "Bundesweit machen die Gewerkschaften heute Aktionen unter dem Motto ,Gleiche Arbeit - Gleiches Geld'", sagt Behrenwald. "In Bremerhaven wollen wir vor allem gegen die Zustände in der Windenergiebranche protestieren."

Bei der örtlichen Niederlassung des Windenergiekonzerns Repower etwa seien etwa zwei Drittel der 120 Beschäftigten über eine Leiharbeitsfirma angestellt. "Die kriegen drei bis vier Euro weniger pro Stunde, obwohl sie genau den gleichen Job machen," sagt Behrenwald. "Repower sollte sie spätestens nach einem Jahr in die Stammbelegschaft übernehmen."

Stattdessen übe die Firmenleitung Druck auf die Beschäftigten aus. Behrenwald präsentiert ein Schreiben von Repower an seine Arbeiter. Darin wird allen mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht, die heute demonstrieren gehen. Selbst "verlangsamte Arbeit durch Diskussion zu diesem Thema" - gemeint ist Leiharbeit - könne demnach "Schadensersatzpflicht" nach sich ziehen. Die Repower AG wollte sich auf Anfrage am Mittwoch nicht äußern.

Auch bei Mercedes in Bremen wollen die Beschäftigten gegen die ausufernde Leiharbeit protestieren. "Wir sammeln Unterschriften für eine Übernahme der Kollegen in die Stammbelegschaft", sagt der IG Metall-Vertreter, Ralf Wilke. Von den 12.500 Beschäftigten des Werkes seien 630 LeiharbeiterInnen.

"Bremen ist nicht nur Spitze bei der Leiharbeit, LeiharbeiterInnen werden hier auch deutlich schlechter bezahlt als andere Beschäftigte", sagt die Bremer DGB-Vorsitzende Annette Düring.

11.000 Leiharbeiterinnen gibt es insgesamt in Bremen. "Allein das ist schon ein Skandal", findet der IG Metall-Bevollmächtigte Dieter Reinken. Mehr als ein Viertel von ihnen verdient weniger als 1.200 brutto Euro im Monat. Die Dumpinglöhne seien dabei keine Frage mangelnder Qualifikation, so der DGB. LeiharbeiterInnen mit Berufsabschluss bekommen in Bremen rund 45 Prozent weniger als ihre regulär angestellten KollegInnen - statt 3.043 Euro gehen sie mit durchschnittlich nur 1.690 Euro nach Hause. "Leiharbeit ist ein ausgeprägter Niedriglohnsektor", sagt Düring.

Die Arbeitnehmerkammer beklagt deshalb, das immer mehr LeiharbeiterInnen in Bremen so wenig verdienen, dass sie vom Staat unterstützt werden müssen. Einer Studie der Kammer zufolge sind in Bremen vier Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen - bundesweit sind es nur etwa halb so viele. Knapp 4.000 "Aufstocker" in Bremen können ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten, obwohl sie sogar in Vollzeit arbeiten. Schuld daran seien vor allem die Niedrigstlöhne der Leiharbeitsfirmen: Hier benötige jeder achte Vollzeitbeschäftigte am Ende des Monats Geld vom Amt, um auf Hartz IV-Niveau über die Runden zu kommen. In keiner anderen Branche liegt dieser Wert höher. "So wird der Dumping-Lohn der Unternehmer, mit dem Gewinne maximiert werden, auch noch subventioniert", sagt Reinken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!