LEERE KASSEN: Mainstream für alle
Die Hamburger Kulturbehörde will das Kultur- und Kommunikationszentrum Fabrik nur weiter fördern, wenn der Geschäftsführer geht und das Haus auf ein wirtschaftlich orientiertes Konzept umstellt.
Es gibt Konzert-Erinnerungen, die machen sich nicht an Künstlern fest, sondern an Orten. Weil der Ort auch nach dem Konzert noch ein Ort ist und keine Mehrzweckhalle. Weil der Ort so beständig ist, dass er mehr als eine Erinnerung produziert. Ein solcher Ort ist das Kultur- und Kommunikationszentrum Fabrik in Hamburg-Ottensen. BAP 1981 auf "Kölschrock Tour"? Gabs in der Fabrik, wo früher immer ab 23 Uhr der Eintritt frei war, so dass auch Mittellose noch die Zugaben hören konnten. Das Hamburg-Konzert von The Notwist im Frühjahr 2010? Fand in der ausverkauften Fabrik statt, wo 1.200 Leute reinpassen, die sich aber Dank einer Balustrade im ersten Stock so gut verteilen, dass auch ausverkaufte Konzerte intim bleiben.
Die Fabrik ist für ihr anspruchsvolles Musikprogramm über Hamburg hinaus berühmt geworden, ihr Konzertsaal ist in NDR-Konzertmitschnitten zu sehen und in Fatih Akins "Gegen die Wand". Aber die Konzerte sind nur eines der zwei Beine, auf denen das Haus steht. Das andere Bein ist die Stadtteilarbeit: Werktags von 12 bis 18 Uhr gibt es für Kinder- und Jugendliche ein kostenloses Freizeitprogramm aus Basteln, Kochen, Theater-Spielen oder Inline-Skates-Fahren in jener Halle, in der Abends dann zum Beispiel B.B. King auftritt. Die Konzerte subventionieren nach Möglichkeit die Stadtteilarbeit. Es geht nicht um den maximalen Profit, sondern um die Soziokultur-Idee der 1970er unter dem Schlagwort "Kultur für alle".
Das alternative Kulturzentrum Fabrik wurde 1971 von dem Künstler Horst Dietrich gegründet. Die Fabrik mauserte sich zum Vorbild für die nachfolgenden Stadtteilkulturzentren wie dem Pavillon in Hannover (1977) oder dem Schlachthof in Bremen (1978). Als Pionier der Bewegung habe die Fabrik "die Kulturpolitik aufgerüttelt und entstaubt", sagt Norbert Sievers, der Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft. "Insofern hat sie Kulturpolitikgeschichte geschrieben."
Der Maler Daniel Richter hat mit der Hamburger Kulturpolitik abgerechnet. Zusammen mit seiner Frau Angela will er nach Berlin umziehen. Richter kritisierte:
Bei der Sub- und Hochkultur gebe es "eine Mischung aus Übersättigung und Überalterung".
"Führungsfiguren" agierten falsch: bei der Kunsthalle, die teilweise geschlossen werden sollte, bei der Berufung des Schauspielhaus-Intendanten und im Falle der Fabrik. Kultursenatorin von Welck attestierte er eine "Mischung aus Machtgier und Inkompetenz".
Das arme Berlin mache eine viel komplexere, interessantere und modernere Museumsarbeit.
Zu wenige Mäzene: "Leute können hier als Künstler leben, wenn sie arm sind oder sehr erfolgreich. Dazwischen ist das Investitionsrisiko für den Bourgeois zu groß."
Seit Ende Mai liegt der Fabrik nun ein Brief der Hamburger Kulturbehörde vor, der dem Haus einen Richtungswechsel von oben verordnet: Die Kulturbehörde will ihren jährlichen Zuschuss in Höhe von 549.000 Euro nur weiter zahlen, wenn bis zum 30. September Vorstand, Aufsichtsrat und der Geschäftsführer ausgewechselt werden und das Haus ein neues Konzept umsetzt, das "ein ausgeglichenes wirtschaftliches Ergebnis" mit sich bringt. Im Klartext: Der Fabrik-Gründer und noch amtierende 75-jährige Geschäftsführer Horst Dietrich soll gehen und eine neue Mannschaft soll ein Programm machen, das mehr Geld einspielt und/oder weniger Kosten verursacht.
Horst Dietrich kann den Brief "nicht als Grundlage für eine persönliche Diskussion" akzeptieren und hat einen Anwalt engagiert, der die weiteren Gespräche mit der Kulturbehörde führt. Aus Dietrichs Sicht liegen die Dinge nicht so einfach, wie sie sich die Behörde machen will: Die roten Zahlen der Fabrik sieht er vor dem Hintergrund, dass die Stadt ihre Zuwendungen seit 1996 von 819.000 auf aktuell 549.000 Euro gekürzt habe. Ein kommerziell orientiertes Programm sieht er skeptisch, weil es die Idee kaputtmacht, Kinder und Jugendliche in der Fabrik an anspruchsvolle Musik heranzuführen. Den Laden einfach aus der Hand geben möchte er nicht, weil das Haus einer Philosophie folgt, die unzeitgemäß wirken mag, den Beteiligten aber wichtig ist.
Hinzu kommt, dass die Fabrik immer versucht hat, möglichst unabhängig von der Stadt zu bleiben. Im Sommer 2006 ging die Fabrik in der eigens gegründeten Fabrik Stiftung auf und gründete einen Freundeskreis, um die Finanzierung besser abzusichern. Derzeit machen die Subventionen der Stadt rund 20 Prozent des Gesamtetats aus.
Dietrich will lieber auf den städtischen Zuschuss verzichten, bevor er den Anspruch des Hauses aufgeben würde. Das würde bedeuten, Mitarbeiter zu entlassen, auch wenn das "intern weh tun" würde. "Aber", sagt Dietrich, "daran kämen wir nicht vorbei. Hier geht es um eine Sache und die gilt es weiterzuführen."
Über die konkreten Maßnahmen, die sich die Kulturbehörde vorstellt, lässt sich bislang nichts in Erfahrung bringen. Man wolle in der Fabrik lediglich eine stabile finanzielle Grundlage schaffen, aber nicht ins Programm reinreden, sagt Sprecherin Ilka von Bodungen.
Das klingt gut, bedeutet aber nicht, dass das Programm das Alte bleiben darf. Die Fabrik wird so oder so weniger Geld für ihre Veranstaltungen zur Verfügung haben. Dass sich das auf die Veranstaltungen niederschlägt, ist unausweichlich.
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