: LDP angeschlagen, aber nicht besiegt
Linkskoalition in Japan noch nicht in Sicht ■ K O M M E N T A R
Einhundertneun Abgeordneten der Liberaldemokratischen Partei LDP stehen im Oberhaus jetzt 120 Abgeordnete der Oppositionsparteien gegenüber (ohne „Miniparteien“). Von diesen 120 stellen die Sozialisten 66, die Komei-Partei (Partei für eine saubere Regierung) 21, die Kommunistische Partei KPJ 14, die rechts-sozialdemokratische Demokratisch -Sozialistische Partei (DSP) 8 und die Vertreter des neuen Gewerkschaftsdachverbandes Rengo 11 Abgeordnete. Hauptgewinner sind die Sozialisten unter ihrer Vorsitzenden Takado Doi, die bei dieser Wahl klar die Ablösung der LDP -Regierung gefordert hatten. Die Wahlbeteiligung lag unter 70 Prozent: kein Ende der „Zuschauerdemokratie“.
Mit dem Rücktritt von Ministerpräsident Uno ist die Regierungskrise in Japan offenkundig. Verfrüht wäre es jedoch, jetzt schon einen Wechsel der Regierung zu erwarten. Erst muß die Reaktion der LDP abgewartet werden. Wen schicken die Konservativen vor, nachdem ihr dritter Regierungschef innerhalb eines Jahres verschlissen ist? Ziehen sie die Konsequenzen aus der Niederlage? Welcher Art sind die Zugeständnisse, die sie machen müssen?
Bemerkenswert die Rolle der Frauen: Die japanische Frauenbewegung hat nie besonders spektakulär agiert, aber das politische Bewußtsein der Frauen steigt kontinuierlich. Der zurückgetretene Uno brach ein Tabu: Er verhandelte mit einer Geisha direkt über die Bezahlung - und dieses Mal lancierte kein Reporter, sondern die betroffene Frau selber das schnöde Verhalten in die Medien. Daß Uno damit stellvertretend für viele machthabende Männer bloßgestellt wurde, hat das Selbstwußtsein der Frauen gestärkt. Mehr noch als der Recruit-Skandal dürfte dieser Skandal die LDP disqualifiziert haben. Hinzu kommt: Viele Japaner wissen, daß ihr Land reich ist, oder sind selber reich geworden. Sie sorgen sich auch um den internationalen Ruf. Und: Die Medien haben nicht nach der Pfeife der LDP getanzt. Ihre eigene Macht ist zutage getreten.
Daß der neue Gewerkschaftsdachverband eigene Kandiaten aufstellte, zeigt, daß die Gewerkschaftsbewegung mit dem Zustand der Opposition unzufrieden ist. Ohnehin ging sie bei der Neuformierung der politischen Kräfte voran, indem sie die Auflösung der bisherigen politisch fragmentierten Verbände anpackte. Allerdings kann von einer Gleichsetzung RengoSozialismus nicht die Rede sein.
Die Kommunisten sind als einzige Kraft nicht in den Recruit -Skandal verwickelt. Daß sie nicht stärker geworden sind, geht maßgeblich auf die brutale Unterdrückung der Demokratiebewegung in China zurück. Es half der KPJ nicht, am schärfsten von allen Parteien das Vorgehen der KPCh anzuprangern: Sie wird mit dem gar nicht mehr existierenden Weltkommunismus identifiziert. Damit schwindet auch die Möglichkeit einer Linkskoalition. Nach vorgezogenen Unterhauswahlen könnte es zu einer Koalition der „Kräfte der Mitte“ mit der SPJ kommen. Ohne weiteren Druck der Frauenbewegung und der Anti-AKW-Bewegung wird sich jedoch nur wenig ändern.
Wolfgang Seifert
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