LÄRM IN PANKOW : Tegeltraining
Die Pollen fliegen, die Nase läuft. Umzugswagen versperren jede Auffahrt. Unverkennbar: Es ist Frühling. Ich sitze auf dem Balkon. Hier kann ich in Ruhe arbeiten. Unten fährt ein Müllwagen vorbei. Vor jedem Hauseingang hält er mit lautem Quietschen an, dabei ist er überhaupt nicht schnell gefahren. Im Gegenteil. Im Schritttempo schiebt sich das riesige Auto durch die enge Straße. Ich kann es sehen, wenn ich von meinem Sonnenplatz zwischen den Blumentöpfen aufstehe und über die Brüstung schaue, was ich aber tunlichst vermeide, kann ja schließlich deutlich hören, was unten vor sich geht. Mein Balkon ist schön. Ich habe vierzig Euro im Pflanzencenter ausgegeben, er hat schön zu sein. „Pflanzenzentner“, sagt meine Freundin Franzi. Sie hat mich mit dem Auto hingefahren. Deshalb haben wir auch gleich den 40-Liter-Sack Blumenerde gekauft. Wie alle Fahrradfahrer, die ausnahmsweise mit dem Auto einkaufen gehen, hatten wir verdrängt, dass wir die 40 Kilo zwar nicht nach Hause, wohl aber die drei Stockwerke zu meiner Wohnung hochschleppen mussten.
Nun steht der Sack in der Ecke vom Balkon und ist nicht mal zur Hälfte leer. Er geht mir auf die Nerven, dieser Sack. Auf den Sack, sozusagen. Aber ich kann die Erde ja schlecht wegwerfen deswegen.
Das Müllauto hat sich bis zur Kreuzung vorgearbeitet. Gleich biegt es um die Ecke, dann muss ich es nicht mehr hören. Schräg gegenüber fängt jemand an, Staub zu saugen. Drei Stockwerke unter mir läuft ein Mann die Straße entlang. Er telefoniert in einer Sprache, die nicht seine ist, er stottert beim Sprechen und zieht die Silben in die Länge. Ich glaube, es ist was Offizielles. Ein Flugzeug startet von Tegel. Die Spatzen heben die Stimmen, um den Lärm zu übertönen. Durch das Tegeltraining sind die Pankower Spatzen die lautesten in Berlin. Die Nachbarin schaltet den Staubsauger ein. LEA STREISAND