LASS UNS FEIERN : Gegen den Winter
Luis Alberto griff mit der Rechten beherzt nach einem Sixpack, in der Linken balancierte er schon zwei Flaschen Lambrusco. Man hatte mich vorgewarnt. Luis Alberto sei ein Bär. Doch das glaubte ich erst, als er im Türrahmen stand. Eingeschlagen in seine Steppjacke, die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen. Waffen gegen den Berliner Winter, radebrechte er auf Englisch.
Er kam direkt aus Mexiko, aus dem Ofen der Sierra Madre. In Querétaro ist auch Winter, nuschelte er, das sind bei uns 35 Grad. Luis Alberto war auf eines der zahlreichen Festivals eingeladen, mit denen die ehemalige Hauptstadt der DDR nicht müde wurde, der Völkerfreundschaft zu frönen. Ich glaube Luis Alberto wusste selbst nicht mehr, ob er Gedichte, einen Kurzfilm oder eine Tanzperformance im Gepäck hatte. Mein Auftritt ist erst am Sonntag, beruhigte er mich und sich in einem Atemzug. Was machen wir bis dahin, fragte ich. Lass uns feiern, sagt er. Erst jetzt bemerkte ich, dass er mit Mine, unserer gemeinsamen Freundin, gekommen war, Mine, die bislang hinter ihm, der aufgrund seines Körperumfangs den Flur allein ausfüllte, gestanden hatte. Okay, sagte ich und nahm die Flasche Mezcal an, die mir Mine unter Luis Albertos Achselhöhle hindurch entgegenstreckte, lasst uns feiern. Wir verließen mein Büro in Mitte und klapperten die Linienstraße nach einer Bar ab. Es war Freitag, und alles war brechend voll. Wir rollten weiter in Richtung Veteranen-, Fehrbelliner, Choriner Straße – erfolglos. Luis Alberto zischte: Ich habe Durst. Aus vorweihnachtlichem Bodennebel schälte sich die Neonreklame eines Discounters. Luis Alberto war nicht zu halten. Er schaufelte die Regale leer. Minuten später winkten wir ein Taxi herbei, das uns und die Taschen direkt in ein Hostel am Hackeschen brachte. Hier herrschte eine amerikanische Bring-in-Mentalität. Die erste Flasche Lambrusco entkorkte der Nachtportier himself. TIMO BERGER