Kurzkritik von Jan-Paul Koopmann: Jenseits der Eitelkeiten
Der Titel des Porträts in Öl lautet „Ein kluger Mann“ und das klänge bereits spöttisch, wenn nicht ausgerechnet Alexander Kluge darauf zu sehen wäre. Für einen Namenswitz unerwartet subtil wird die Sache nun dadurch, dass Filmemacher, Autor, Philosoph und Jurist Alexander Kluge tatsächlich sehr klug ist – und dass der ihn porträtierende Maler Thomas Hartmann das vermutlich auch nicht bestreiten würde. „Vermutlich“, weil die paar Worte neben den Bildern sich darüber ausschweigen. Die Pointe liegt mitsamt ihrer spitzen Zwischentöne allein in der Malerei.
Zu sehen sind gleich zwei Kluge-Porträts zur Zeit in der Galerie K’, betrieben vom gelegentlichen taz-Autor Radek Krolczyk, neben weiteren Arbeiten, die Hartmann in jüngerer Zeit angefertigt hat. Interessant an der bildlichen Auseinandersetzung des alten Malers mit seinem noch älteren Modell ist heute, was es über den Intellektuellen als Typ verrät. Vorlage für die beiden großformatigen Gemälde ist eine Fotografie aus dem Spiegel. Sie zeigt Kluge mit leicht entrücktem Blick zwischen Regalen, in denen sich Filmrollen stapeln. Solche „Archive des Wissens“ sind seit Jahren Hartmanns zentrales Sujet. Die grob angedeuteten Filmrollen sind nicht zu unterscheiden von den überquellenden Bücherregalen aus Hartmanns anderen Arbeiten: sortierte Linien, je eine pro Buch oder eben Filmrolle.
Und Kluge? Auf dem einen Porträt verblasst er vor diesem Wissen. Die in groben Strichen dick aufgetragene Farbe seines blauen Hemds gleicht ihn dem Hintergrund an, der materialintensive Auftrag wirkt sonderbar durchscheinend. Das zweite Bild rahmt den Menschen weiß, lässt ihn leicht über der Bildoberfläche schweben. Es geht also um das Verhältnis des denkenden Menschen zu seiner Arbeit, seinem Werk. Die Figur des Intellektuellen (und zwar desjenigen, der eben wirklich klug ist), bewegt sich undefiniert dazwischen, sie beherrscht ihre Quellen nicht, ordnet sich ihr aber nicht unter. Was so einfach klingt, schaffen die wenigsten. Und weil Eitelkeit, Geltungssucht und die Angst, sich angreifbar zu machen, im Weg stehen, gibt es keine allgemeingültige Anleitung. Aber wie sich das Ergebnis anfühlt, zeigen – eindrücklich – diese Bilder.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen