Kurzkritik: Henning Bleyl über die Schöpfung: Wenn der Löwe brüllt
Für Kreationisten stellt Haydns „Schöpfung“ ein vertontes Glaubensbekenntnis dar. Per Fingerschnipp erschafft Gott die Welt: „Vor Freude brüllend steht der Löwe da“, prompt ertönt ein dumpfer Triller. Der Klassik-Gemeinde gilt das Oratorium als Inbegriff empfindsam-rhetorischer Klangrede. Im Rahmen des Musikfests bot der „Schöpfungs“-Abend vor allem Gelegenheit, den sensationellen Ensembleklang von „B‘rock“ aus Gent zu genießen.
Schon während der ersten Takte, in denen Haydn das Ur-Chaos schildert, begeistern die Flamen mit dem hochsensiblen Einsatz ihres historischen Instrumentariums: Ein so durchhörbarer und zugleich warmer Orchestersound ist selten. So würde wohl auch der Chor klingen, immerhin das von Phillipe Herreweghe gegründete Collegium Vocale Gent, hätte Haydn ihn nicht auf wenig subtile Jubelchöre zum Abschluss des jeweiligen Schöpfungstags festgelegt.
Haydn komponierte sein Oratorium satte 60 Jahre vor der Erstveröffentlichung von Darwin. Und dennoch hat man beim Hören den deutlichen Eindruck, dass sich Haydn einer gewissen Selbstironie beim klangmalerischen Schildern etwa der Erschaffung des Erdgewürms nicht enthalten konnte. Es ist ein erfrischender Ansatz von Dirigent René Jacobs und insbesondere auch des in seiner Ruhe überragenden Baritons Johannes Weisser, die freiwillige und unfreiwillige Komik des Werkes herauszuarbeiten.
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