"Kurze Nächte" von Anna Blumbach: Partymaus an der Schmerzgrenze
Jede Menge Sex und wenig emotionale Sicherheit. Blumbach erzählt in ihrem Buch "Kurze Nächte" von Berliner Partyhopping, Boheme-Dasein und den Mühen unter Hartz IV.
Ficken in Mitte oder die feministische Neuerfindung des Schundromans: Frauen schreiben über Sex. Auf diesen Nenner könnte man das bringen, was derzeit bei Anais, einer Tochter des Hauses Schwarzkopf & Schwarzkopf, als Taschenbuchreihe erscheint. Mit "Frühling und so" der 18-jährigen Jungautorin Rebecca Martin hat es sogar schon einen kleinen Beststeller gegeben. Nun erscheint "Kurze Nächte" von Anna Blumbach, ein Roman für adoleszente Großstadtfrauen.
Erzählerin Eva sieht gut aus, hat blonde Locken, ist eine Partymaus im soliden Alter, gehört aber auch zu einer Problemgruppe: Sie ist schon jenseits der dreißig und arbeitslose Akademikerin. Aber nicht nur das: Sie ist außerdem noch alleinerziehende Mutter. Und genau diese Spannungen zwischen analogem Boheme-Dasein, Partyhopping, dem Leiden an unverbindlichen Beziehungen zu neurotischen Männern, der Kindererziehung und den Mühen unter Hartz IV machen dieses Buch aus: Das ist Unterhaltung an der Schmerzgrenze, mit Loserinnenbiografie und Abgründen galore. Dabei ist das Buch dankenswerterweise nicht larmoyant geschrieben. Sondern schrill, schmissig und schnell. Und, sieht man einmal von einer Vorliebe der Autorin für die Comicsprache ab (sehr viel "Urgs"), in einem Stil, bei dem man nicht unbedingt Louis-Ferdinand Céline assoziieren muss, aber durchaus könnte. "Kurze Nächte" ist nämlich rasant geschrieben und verdammt subjektivistisch.
Es klappt also nicht richtig zwischen Eva und den Männern, die in der Hauptsache Dichter Wolf und Mitte-DJ Tom sind (und, en passant, noch zahlreiche andere). Dennoch wird eine Menge Sex beschrieben. Eva will aber natürlich etwas anderes: emotionale Sicherheit, Glück in der Bindung und irgendwie eine finanzielle Perspektive. Gibt es natürlich alles nicht, zumindest nicht im heutigen Berlin.
Großstadtneurosen aus der Perspektive einer Frau, die nicht nur zur Selbstreflexion, an der es im konkreten Alltag oft mangelt, sondern auch zu Selbstironie fähig ist. Dazu ist sie gut informiert. Seufzt über die vergangenen Hochzeiten Mittes wie die Schattenseiten des Prekariats von heute, behält aber stets den Kopf oben.
"Kurze Nächte" ist dabei nicht frei von Konstruktionsschwächen, schwer nachvollziehbaren Sprüngen in Handlung und Tempus. Und trotzdem ein weiterer Schritt zur Wiederbelebung eines literarischen Genres, das ansonsten von Vampiren und dummen Kreaturen bevölkert ist. Hier geht es um die Realität. Ganz konkret.
Anna Blumbach: "Kurze Nächte". Anais, Berlin 2009, 288 Seiten, 9,90 €
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