Kurzarbeit im Verlag: Ausgeruht ab August
Weniger Arbeit, weniger Lohn, aber vorerst keine Entlassungen: Wegen Anzeigenschwund führt der Jahreszeiten Verlag die Viereinhalbtagewoche ein.
BERLIN taz | Der August steht vor der Tür, die Tage werden wieder kürzer - und das ganz besonders im Jahreszeiten Verlag (Jalag). Geschäftsführung und Betriebsrat des Jalag (u. a. Für Sie, Merian, Prinz) verständigten sich am Mittwoch auf die Einführung von Kurzarbeit vom 1. August bis zum Jahresende. Die Bundesagentur für Arbeit muss der Kurzarbeit noch zustimmen, wovon aber ausgegangen werden kann.
Alle Beschäftigten, auch die Geschäftsführung, müssen auf rund 10 Prozent ihrer Bezüge verzichten und sollen dafür alle zwei Wochen einen Arbeitstag zu Hause bleiben dürfen - eine Viereinhalbtagewoche gewissermaßen. Nur der Anzeigenaußendienst arbeitet weiter voll. Kein Wunder: Es sind vor allem die Rückgänge der Werbeerlöse - man rechnet beim Jalag für 2009 mit einem Rückgang von 12 bis 18 Prozent gegenüber 2008 -, die zur Kurzarbeit geführt haben.
Der Jalag-Betriebsratsvorsitzende René Bickel zeigte sich "im Rahmen der Möglichkeiten zufrieden mit der Vereinbarung". Er sprach gegenüber der taz von fairen, sauberen und zügigen Verhandlungen. Der erste Vorschlag der Geschäftsführung, drei Monate lang auf 20 Prozent der Gehälter zu verzichten, wurde nicht umgesetzt. "20 Prozent wären von den Einschnitten für einige Kollegen sehr hart gewesen", sagte Bickel.
Zusätzlich wurde ausgehandelt, dass keine Kündigungen ausgesprochen werden dürfen - zumindest bis zum 15. Januar. "Wenn jemand weiß, wie es im Januar und Februar weitergeht, ist er ein Hellseher", so Bickel, der davon ausgeht, dass die Mitarbeiter die Regelung akzeptieren: "Bisher ist jedenfalls keiner zu uns runtergekommen und hat sich beschwert."
Auch Jalag-Geschäftsführer Joachim Herbst lobte die konstruktive Gesprächsatmosphäre. Wie es nach den fünf Monaten weitergeht, vermochte er nicht zu sagen: "In der jetzigen Situation die Erwartungen für den Januar 2010 zu prognostizieren ist zu unsicher. Aber wir nutzen die Zeit, um uns auf mögliche Alternativen für ,die Zeit danach' einzustellen." Auf die Frage, wie sich die Arbeitszeitverkürzungen auf die konkreten Heftproduktionen auswirken, gab Herbst keine klare Antwort - dies sei Sache der Chefredakteure, von denen die Kurzarbeit voll unterstützt werde.
"Unsere Redaktionen werden von kreativen Ideen getragen, insofern ist hier eine einheitliche Verordnung zur Reduzierung nicht möglich", sagte Herbst. Man wird sehen, wie diese kreativen Ideen aussehen und ob sie über die drei naheliegendsten Möglichkeiten - Heftumfang verringern, Recherchezeit runterfahren oder unbezahlte Überstunden - hinausgehen.
Die Frage nach der konkreten Umsetzung beschäftigt auch die Gewerkschaft Ver.di: "Da sehe ich erhebliche Fragezeichen", sagte Matthias von Fintel, Tarifsekretär für den Bereich Medien. "Unsere Erfahrung ist, dass in vielen Verlagen durch den bereits erfolgten Personalabbau jeder Einzelne derzeit eher mehr als weniger arbeitet. Wir werden uns genau angucken, ob die Kurzarbeit beim Jalag korrekt abläuft", auch wenn er keine unsaubere Umsetzung unterstellen wolle.
Als kurzfristige Lösung wertete von Fintel die Vereinbarung und vor allem die Beschäftigungssicherungsvereinbarung bis Mitte Januar jedenfalls als positiv: "Dass es keine Kündigungen gibt, ist sehr erfreulich, auch wenn Beschäftigungssicherungsvereinbarungen normalerweise über längere Zeiträume geschlossen werden."
Eva Werner, stellvertretende Pressesprecherin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), sieht in Arbeitszeit- oder Stellenkürzungen grundsätzlich ein Problem für die Qualität von Zeitungen, aber: "Fakt ist, dass die Medien gerade in einer problematischen Phase sind", so Werner. "Wenn alle anderen Möglichkeiten geprüft wurden und die Kurzarbeit geeignet ist, Arbeitsplatzabbau zu verhindern, dann, aber erst dann kann sie kurzfristig eingesetzt werden."
Es wird sich zeigen, ob der Jalag-Vorstoß nun auch für andere Verlage ein Türöffner ist, Kurzarbeit einzuführen. Auch bei Gruner + Jahr ist Kurzarbeit laut Medienberichten im Gespräch, bisher gibt es aber noch keine konkreten Entwicklungen.
Bei der Axel-Springer-Tochter Financial Media (Euro am Sonntag) endet hingegen heute eine viermonatige Kurzarbeitsphase. "Angesichts der weiterhin anhaltenden Konjunkturkrise kann eine Fortsetzung der Kurzarbeit keine Lösung sein", sagte Springer-Sprecher Christian Garrels dem Tagesspiegel und kündigte an, dass Betriebsrat und Management alternative Lösungsmodelle sondieren.
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