Kurt Becks Redensarten: "Die sogenannte Linke"
Links im Erscheinungsbild, rabenschwarz im Wesen - und Störenfried der eigenparteilichen Berechenbarkeit: Was Kurt Becks Sprache über seinen Blick auf die Linkspartei verrät.
Kurt Beck, SPD-Vorsitzender, will für seine Partei nicht nur die scheinbar entschwundene soziale Frage, sondern auch eine vom Untergang bedrohte, aber schließlich doch gerettete sprachliche Konvention wiederbeleben. Sorgfältig achtet er darauf, stets von der "sogenannten Linken" zu sprechen, wenn von dem lästigen Nachbarn zur Linken die Rede ist. Die "sogenannte DDR", an die die Becksche Redeweise erinnern soll, ist in der demokratischen Revolution von 1989 untergegangen, hingegen hat sich der schöne Begriff "sogenannt", der so leicht und umstandslos von der Zunge geht, trotz der Attacken der bürokratischen Rechtschreibreform schließlich behaupten können.
Beck will uns mit dem Begriff "die sogenannte Linke" einen Hinweis darauf geben, dass Die Linke eigentlich nicht links ist. Als Kenner des Marxschen Werkes ist ihm der Satz wohlvertraut: "Wenn Wesen und Erscheinung stets identisch wären, wäre jede Wissenschaft überflüssig." Der Erscheinungsform nach geriert sich Die Linke links, aber ihrem Wesen nach ist sie rabenschwarz. Diese Gedankenfigur ist uns als Stigmatisierung linker Abweichungen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung wohlvertraut.
Das "sogenannt" fordert allerdings gebieterisch nach weiterer Erklärung. Inwiefern ist nach Becks Meinung Die Linke nur ihrer Erscheinungsform nach links? Hier rivalisieren mehrere, sich teils überschneidende Meinungen. Für die Armen im Geiste sind "die Linken" nichts als "die Kommunisten" unseligen Angedenkens. Für die realpolitisch denkenden Pragmatiker sind es Populisten, weil sie Versprechungen machen, die sich schlechterdings nicht einlösen lassen. Der Populismus aber, auch wenn er im linken Gewand auftritt, führe stets zu einer Stärkung der extremen Rechten, sei mithin selbst rechts.
Die Linke ist aber nach Beck nicht nur populistisch, sondern noch dazu amorph, ungestaltet, sie verfügt laut Becks jüngster Analyse nicht einmal über ein Programm. Letztere Annahme ist zwar falsch, verdankt Die Linke sich doch vollständig programmatischen Grundannahmen. Aber sie erlaubt Beck, jene Angst wiederzubeleben, die schon einmal und leider grundlos nach dem Einzug der Grünen in den Bundestag auch die SPD ergriffen hatte. Es ist die Angst vor dem Unvorhersehbaren, vor der Normabweichung. Im Gegensatz zur "sogenannten" Linken, so könnte man Becks Argumentation zusammenfassen, zeichnet sich die mit Recht links genannte Linke durch allseitige stabile Berechenbarkeit aus. Und die kann niemand anders sein als unsere vertraute SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP