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Archiv-Artikel

Kunstrundgang Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Der Ausstellungsraum erinnerte an ein schlichtes protestantisches Kirchenschiff. Um auf seine Empore zu gelangen, ordneten wir uns paarweise an, empfangen von einer jungen Frau. Meinem Kollegen K.v.G. drückte sie einen Eimer in die Hand. Mich bedachte sie mit einer Schaufel und den Worten: „Und Sie schippen die Kohlen!“ Danach wachte ich auf und bedauerte, die wohl krasseste Schau des Wochenendes verpasst zu haben.

Wahrnehmungstechnisch nicht weniger verzwickt: Ingo Gerkens „Untitled Landscape“-Installation bei kvant. Der schmale unbefestigte Weg, der in eine karge Landschaft führt, scheint sich in den Galerieraum fortzusetzen. Denn davor auf den Boden geschüttetes Popcorn, das noch zu springen und zu platzen scheint, gleicht seiner steinigen Oberfläche. Aber dieses Geräusch kommt aus dem vorderen Raum, wo das Popcorn gemacht wird. Was man hinten hört, sind Steine, die in das friedliche Filmbild prasseln. Das Video entstand 2004 in Serbien. Ein Jahr nach der Ermordung des Reformer Zoran Djindjić, als der Machtwechsel mit Boris Tadić erwartet wurde. Paul, mein Hund, fand Gerkens Arbeit super. Er fraß gleich mal das Popcorn. Und jetzt, eine Woche später, haben die Serben pro Europa gestimmt.

Bevor nun die Zeit die „Occidental Thinking Machines“ von Ulrike Grossarth frisst, sollte man unbedingt noch bei ihnen bei Zwinger vorbeischauen. Wie von Grossarth gewohnt, ist die Sache mit den westlichen Denkmaschinen eine komplizierte (was mich an das Kohlenschippen erinnert). Aber anders als erwartet, vermittelt sich die Idee, dass (und wie) der Körper noch die rationalsten und abstraktesten Weltmodelle prägt, in ihren „Kulturkonserven“ (kleine Ölgemälde, Illustrationen aus Diderots Enzyklopädie oder rätselhafte geometrisch-ornamentale Scherenschnitte) ganz unkompliziert und anschaulich.

Bis 7. 6., Ingo Gerken, „Untitled Landscape“, Kvant, Waldemarstr. 39, Di.–Fr. 14–19, Sa. 13–17 Uhr; 28. 5., „embedded art“ mit O. Arndt u. a.

bis 17. Mai, Ulrike Grossarth, „Occidental Thinking Machines“, Zwinger, Gipsstr. 3, Di.–Fr. 14–19, Sa. 12–18 Uhr