Kunstrundgang : Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Der Zufall meint es gut mit Riccarda Roggan. In der alten Baumwollspinnerei in Leipzig, in der die 1972 geborene Fotografin ihr Atelier hat, waren Handwerker mit dem Umbau des Fabrikgebäudes beschäftigt. Dabei stießen sie auf riesige Lüftungsschächte, die in keinem Architekturgrundriss verzeichnet waren. Schon hatte Roggan das Motiv für eine neue Serie: enge schlauchartige Räume, Unorte eines vergangenen Industriezeitalters.
Auf den Fotos, die nun in der Galerie Eigen + Art zu sehen sind, hat die Künstlerin aus den vom Verfall angefressenen Kammern wunderbar suprematistische Guckkastenbühnen gemacht. Dazu musste nur hier und dort ein Stahlrohr weggeflext, eine quadratische Fläche neu ausgemörtelt oder ein rechteckiger Rahmen geweißt werden. Damit fügt Roggan den Interieurs, für die man die Leipziger Malerschule bekanntermaßen schätzt, eine abstrakte Variante hinzu. Der Clou liegt aber noch in einer anderen Wendung: als raffinierter Kommentar auf Thomas Demands gefakte Welt aus Papier. Denn in Roggans Inszenierung werden die realen Räume flach wie antiillusionistische Malerei.
Bei Ayse Erkmen muss man sich erst einmal neu orientieren. Die Jalousien in Pink und Minze stammen aus dem „Schöner Wohnen“-Katalog, die knallbunten Buchstaben an der Wand erinnern an Toys’R’Us, und die Teppichstreifen, die in der Galerie Barbara Weiss ausliegen, sind mit Kringeln aus der Vorschule gemustert. Nichts passt zusammen, aber alles ist anschlussfähig: Tatsächlich geht es der türkischen Bildhauerin darum, lauter minimale Bausteine auszustreuen, die sonst in Inneneinrichtungen beheimatet sind. Als Fremdkörper bringt sie die Elemente miteinander ins Gespräch. Damit das Spiel nicht in Dekoration abrutscht, hätte es allerdings mehr von Erkmens künstlerischer Handschrift gebraucht.