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KunstAls wären sie Freunde

Was bekommt man von einer Stadt geschenkt? Eine ganze Menge - zumindest die Performergruppe "Deliverance". Die stellte sich splitternackt an die Straße und wartete ab.

Die australischen KünstlerInnen der Gruppe "Deliverance". Bild: DPA

Die gelbe Linie auf dem Boden grenzt eine Fläche von fünf mal sechs Metern ein. Dort, wo sie sich dem Gehweg nähert, liegen aus Papier ausgeschnittene Buchstaben: „Willkommen“. Dahinter zwei Frauen und ein Mann auf Gartenstühlen vor einem kleinen Zelt, zwischen Plüschtieren, Wasserflaschen und einer Tüte Frischmilch. Eine der Frauen winkt zwei jungen Mädchen zu, die gerade neugierig stehen bleiben. „Hey, do you want to come in?“, fragt sie freundlich. Es ist der Tonfall, mit dem man jemanden in die eigene Wohnung einlädt.

Es ist Donnerstag, und die australische Künstlergruppe „Deliverance“ sitzt schon den fünften Tag in Folge auf einer Brachfläche am Anfang der Schönhauser Allee. Kate Henry, Penny Harpham und William McBride tragen mittlerweile Jeans, T-Shirt und Schuhe. Am Sonntag war das noch anders: Begonnen haben sie ihre Performance splitternackt. Und einfach abgewartet, was solidarische Menschen ihnen schenken würden. Das Konzept: In den zehn Tagen, die sie hier ausharren, machen die drei ihr Überleben von anderen abhängig. Selbst in der Großstadt scheint das gut zu funktionieren – das zeigt auch der Blick durch die Webcam, die das Trio rund um die Uhr beobachtet.

Lasagne von Papptellern

Gleich vier Leute sind an diesem Morgen da gewesen, um den KünstlerInnen Frühstück zu bringen. Jetzt, pünktlich zum Mittag, kommt eine junge Frau mit warmem Essen vorbei. Sie setzt sich zu den anderen, und alle essen Lasagne von Papptellern. Es wirkt beinahe vertraut, als träfen sich Freunde zum gemeinsamen Essen. Und genau darum geht es den PerformerInnen: Sie wollen ins Gespräch kommen, anderen Sichtweisen kennenlernen, Meinungen hören. Wer sind diese Menschen hier in Berlin? Und was benötigt jemand ihrer Ansicht nach, um zehn Tage in dieser Stadt zu überleben?

Die, die gekommen sind, um etwas vorbeizubringen, finden vor allem am Helfen selbst Gefallen. Als ob es ihren Alltag aufhelle, Gutes zu tun. Nur eine Passantin reagiert verärgert: Wieso, bitte schön, solle man KünstlerInnen mehr geben als Obdachlosen? Aber auch sie kommt noch einmal zurück und lässt sich auf ein Gespräch mit der Gruppe ein.

Ihre Überlebens-Performance haben die AustralierInnen bereits auf einem Festival in Adelaide veranstaltet. Aber hier in Berlin testen Henry, Harpham und McBride ihr Konzept zum ersten Mal im öffentlichen Raum. Das Szenario erinnert ein wenig an die Performancekünstlerin Marina Abramovic, die im New Yorker Museum of Modern Art 721 Stunden lang schweigend auf einem Stuhl saß und BesucherInnen anbot, sich ihr gegenüberzusetzen. Das Besondere an solchen Settings: Sie sind nicht planbar. Was passiert, liegt in den Händen des Publikums. Die drei KünstlerInnen an der Schönhauser Allee scheinen überrascht zu sein, was alles vorbeigebracht wird, auch als sie das Nötigste schon haben. Mittlerweile hängen orangefarbene Vorhänge an der Mauer, auf dem Boden stehen ein Schachspiel und eine Dose mit Seifenblasen-Flüssigkeit.

Ob die drei mit ihrer Performance anschließend in weitere Städte ziehen, steht noch nicht fest. Sicher ist nur, dass sie den Ort nach zehn Tagen verlassen werden. Dann werden nur die Gegenstände übrig bleiben. Denn die wollen die KünstlerInnen nicht mitnehmen. Es geht ihnen nicht um das Sammeln von Dingen, sondern um die Geschichten, die dahinterstecken.

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