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Archiv-Artikel

Kunst kommt auch von Knete

DEBATTE Dass Berlin weltweit so einen guten Ruf als Kreativmetropole genießt, liegt wohl doch mit an den Kreativen. Grund genug, die auch entsprechend zu fördern, wie Vertreter der Freien Szene fordern

Freie Kreative tragen zu dem Image bei, mit dem sich Berlin so erfolgreich vermarktet

VON ANDREAS HARTMANN

Sie soll auch weiterhin kommen, die „Betten-Übernachtungssteuer“ für Berlin, die sogenannte City Tax. Sie sollte eigentlich schon da sein, doch in der Hauptstadt dauert es ja bekanntlich mit allem etwas länger, und so geht man jetzt von ihrer Einführung erst Anfang nächsten Jahres aus. Aber das kann sich natürlich auch nochmals ändern.

Wie viel Geld die Abgaben, die Übernachtungsgäste in Berlin dann zu entrichten haben, in die dauerklammen Kassen der Stadt spülen wird, das kann bislang nur grob geschätzt werden. Man rechnet mit zwischen 20 und 50 Millionen Euro jährlich.

Was genau mit den Zusatzeinnahmen geschehen soll, ist noch genauso unklar. Nicht wenige befürchten, dass sie einfach in irgendwelchen der vielen tiefen Haushaltslöcher versickern. Um genau das zu verhindern, gibt es eine Initiative von Kulturschaffenden in Berlin, die die City Tax für sich beansprucht und die Debatte um diese nutzt, eigene Probleme an die Öffentlichkeit zu tragen. Die „Koalition der Freien Szene“ in Berlin, eine Art Dachverband der frei tätigen Künstler und Kreativen in der Stadt, hätte gerne mindestens die Hälfte des erwarteten Geldsegens für sich. In einem offenen Brief, der im Frühjahr dieses Jahres auch in der taz abgedruckt wurde, sprach sich ein Zusammenschluss Freier Bildender Künstler, die Gruppe „Haben und Brauchen“, sogar dafür aus, den ganzen Kuchen einzufordern und verlangte: „100 Prozent der City-Tax-Einnahmen für freischaffende KulturproduzentInnen, Projekträume und Spielstätten sowie prekär arbeitende Kunst- und Kulturinstitutionen.“

Die Argumentation hinter der Forderung der „Koalition der Freien Szene“ und der für die verschiedenen Künste jeweils zuständigen Gruppierungen in Berlin wie „Haben und Brauchen“ ist nicht schwer nachzuvollziehen. Man sieht sich entscheidend mitverantwortlich dafür, dass Berlin weltweit den Ruf als Kreativmetropole genießt, die Touristen von überallher anlockt. Musiker, Tänzer, Künstler und freie Kreative tragen zu dem Image bei, mit dem sich Berlin so erfolgreich vermarktet und mit dem man die Betten in den Hostels und Hotels voll bekommt, dafür wollen die eigentlichen Verursacher des anhaltenden Berlinbooms jetzt endlich mehr Unterstützung. Berlin wirbt für sich selbst als die Stadt der Kunst und Kultur, kümmere sich aber viel zu wenig, so die Klage, um diejenigen, die überhaupt dafür sorgen, dass hier alles so schön bunt ist.

Wer sich hier meldet, ist die Vertretung all der unabhängig vor sich hinwerkelnden Kunstschaffenden, für die Berlin jahrelang als perfektes Biotop galt. Für die es in Paris, London oder New York längst unmöglich geworden ist, ein bezahlbares Atelier zu finden. Die bereitwillig die Freiräume bespielten, die sich nach dem Fall der Mauer eröffneten und die immer wieder weiterzogen, wenn wieder einmal irgendein Investor etwas Neues auf dem Gelände plante, auf dem man eben noch seinen Projektraum hatte. Nun aber wird Berlin immer teurer, die Mieten steigen und die Freiräume werden knapper. Die Zeiten, in denen man mit wenig Geld über die Runden kam und gleichzeitig genügend Möglichkeiten fand, sich auszuprobieren, sind vorbei.

Mehr als nur Millionen

Bei der Debatte, die um die Einführung einer City Tax in Berlin tobt, geht es also um mehr als um ein paar Millionen Euro, es geht um das Ganze. Es geht nochmals um all die Diskussionen, die hier schon seit einer Weile bis zur Ermüdung ausgefochten werden, um Verdrängung und Prekarisierung, und nicht zuletzt auch um einen anderen Umgang mit all der Kunst, die hier entsteht. Stadtplanung und Kunstdiskurs verzahnen sich und man ringt um die Zukunft einer Stadt, die davon lebt, anders als andere Großstädte zu sein und der nun vorgeworfen wird, zu wenig dafür tut, dass dies auch so bleibt.

Heidi Sill und Judith Raum sind zwei der Initiatoren von „Haben und Brauchen“, die sich stark machen für eine neue Förderungspolitik von Kunst in Berlin und die beide selbst freischaffende Künstlerinnen sind. Gegründet haben sie ihre Initiative 2011, als Reaktion auf die vieldiskutierte Ausstellung „Based in Berlin“, die ursprünglich „Leistungsschau junger Kunst“ hätte heißen sollen, als sei die Erstellung von Kunst, von der man einmal annahm, sie dürfe auch zweckfrei sein, eine olympische Wettkampfdisziplin. „Based in Berlin“ war mit vergleichsweise viel Geld unterstütztes Stadtmarketing und für Judith Raum ein Beispiel dafür, wie Berlin sich als Kunstmetropole inszeniert, ohne jedoch die Kunst nachhaltig zu unterstützen. Hinter derartigen Imagekampagnen stecke, so Raum, ein „fragwürdiger Kunstbegriff und eine fragwürdige Förderung von Kunst“. Kunst sollte für sie wieder unabhängig von einem Leistungsgedanken und der Frage nach ihrer Verwertbarkeit wichtig sein. „Wir fragen: Was für eine Rolle kann Kunst spielen, wenn man sie nicht nur als Magnet für Touristen betrachtet, als Label?“

„Haben und Brauchen“ will weg von den Leuchtturmprojekten, mit denen die Stadt Berlin glänzen möchte, während gleichzeitig immer mehr der 250 Projekträume, die es in Berlin gibt und in denen es auch um teilweise eher unglamouröse Kunst und Kultur im Kiez geht, ums Überleben kämpfen. Man wolle, so Heidi Sill, eine „breitangelegte Strukturförderung und eine Kunst, die Teilhabe schafft“. Dafür hätte sie gerne Geld, unabhängig davon, ob die City Tax nun kommen wird oder nicht.

Für die Freie Szene in Berlin aber ist im bereits verabschiedeten Haushaltsplan für 2014/15 keine Aufstockung des Etats von 10 Millionen Euro vorgesehen. Immerhin jedoch hat man eine notwendige Diskussion neu angestoßen. Und nebenbei ein Netzwerk aufgebaut. Der „Rat für die Künste“, der direkt die Kulturpolitik im Senat berät, die Gruppe „Stadt neu denken“, die „Koalition der Freien Szene“ und „Haben und Brauchen“, sie alle ziehen am gleichen Strang.

Außerdem stirbt die Hoffnung bezüglich der City Tax zuletzt. Man will dieses Geld immer noch, deswegen sind Aktionen geplant und die „Koalition der Freien Szene“ hat Logos entwickelt, „Freie Szene stärken“ und „Geist ist noch flüchtiger als Kapital – haltet ihn fest“, mit denen man im August auf die eigenen Anliegen aufmerksam machen möchte. Anliegen, die in Berlin eigentlich jeden betreffen, dem es nicht ganz egal ist, wie seine Stadt sich weiter entwickelt.