piwik no script img

Archiv-Artikel

Kunst geht vor Brot

Die neugegründete Partei für Schönheit, Reichtum und Gesundheit provoziert medialen Zorn, weil sie partout nicht lustig sein will – sondern ernsthaft vorschlägt, das Problem der Arbeitslosigkeit durch einen Kunstgriff zu lösen

Von bes

Arbeitslosigkeit ist kein Problem – solange man nicht darüber redet. „Es ist etwas falsch, wenn sich die Bevölkerung eines ganzen Landes über die Angst definiert, den Job zu verlieren“, sagt Andreas Lübbers. Und das Problem verschwinde geradezu von selbst, „wenn diese Grundangst schwindet“.

Andreas Lübbers ist Dramaturg. In Gandersheim hat er die Domfestspiele geleitet. Und im Hamburger Stadtteil Borgfelde hat er kürzlich ein Theater wieder belebt. Seit neuestem aber ist Lübbers auch Politiker. Mit Freunden und Kollegen hat er die Partei für Schönheit, Reichtum und Gesundheit (PSRG) gegründet, vor drei Wochen in Hamburg und „bewusst direkt als Bundespartei“, wie er sagt. Eine Kunstpartei.

Das ist etwas à la Schlingensief, ein Gag, muss sich der Reporter des „Hamburger Abendblattes“ gedacht haben, ebenso wie der Kommentator des Deutschlandfunks. In beiden Glossen schwingt zornige Enttäuschung mit. Denn Lübbers und Co. meinen die Sache ernst. „Wir hatten mit solchen Reaktionen gerechnet“ sagt er. Mussten sie auch – Voraussetzung ihrer Parteigründung ist, dass die soziale Rolle von Kultur missverstanden wird. „Kunst darf nicht zum Sahnehäubchen einer grauen Realität verkommen“, setzt die Partei dagegen. Sie sei „wesentlicher Teil der menschlichen Existenz.“

Zugleich dient künstlerische Arbeit – frei von direktem Nutzen – als Gegenmodell für den herkömmlichen Arbeitsbegriff: „Wir wissen“, sagt Lübbers dogmatisch, „dass jeder Mensch einer Tätigkeit nachgeht.“ Folgerung daraus: Auch diese – und sei es die Tätigkeit des Tischgenossen, der an der Tafel des Reichen mitisst – sei als Arbeit zu definieren. Und zugleich ein eines allgemeines Bürgergeld zwecks Existenzsicherung einzuführen, das, wie das Kindergeld, einkommensunabhängig zu zahlen wäre. Auch an Manager mit Millionen-Gehalt. „Symbolisch erleben die dann, was das heißt: Existenz-Sicherung“, so der Dramaturg. Wichtiger aber: Die Angst vor der Lohn-Arbeitslosigkeit wäre weg. Wenn sie denn ein reines Diskurs-Phänomen ist.

Die Finanzierung des Plans ist noch nicht ganz einleuchtend dargelegt, obwohl Lübbers, vor der Dramaturgenkarriere Bankkaufmann gelernt hat. Und fraglos ist das Partei-Programm – darin dem der Wahlalternative WASG verwandt – noch fragmentarisch. Dafür aber deutlich visionärer. Und außerdem: Das kann ja noch werden. „Mit steigender Mitgliederzahl werden sich zu den Eckpunkten Arbeitsgruppen bilden“, verspricht der Erste Vorsitzende. Derzeit habe man 40 Aktive, die meisten in Hamburg. Ein guter Schnitt – drei Wochen nach der Gründung. bes