Erinnern an den Free Jazz der Sechziger: „Ært Ensemble“ in der Astra-Stube : Kunst der Spontaneität
Als Leonard Bernstein 1960 einen Live-Auftritt des Quartetts um den Altsaxophonisten Ornette Coleman im New Yorker Five Spot miterlebte, soll er plötzlich aufgesprungen sein und gerufen haben: „Das ist die größte Sache, die dem Jazz je passiert ist!“ Seitdem ist über die eigentliche Bedeutung der später als „New Thing“ oder Free Jazz bezeichneten Kunst der freien und spontanen Improvisation viel gestritten worden.
Allen Schmähungen seitens konservativer Nachlassverwalter zum Trotz richtet sich vielerorts die Aufmerksamkeit vor allem jüngerer Musiker wieder auf die Jahre nach 1960, als Albert Ayler, John Coltrane oder Archie Shepp den Jazz als ideales Medium der musikalischen, manchmal seelischen oder sogar politischen Befreiung entdeckten.
Auch das Ært Ensemble fühlt sich dem Geist jener ehemaligen Avantgarde verpflichtet, die noch nicht der Ästhetik mathematischer Konstruktionen verfallen war, wie sie die heutige improvisierte Musik vielmals ausmacht, sondern ihr Ziel eher in der Intensität eines freien Zusammenspiels sah – und einer damit verbundenen kollektiven Katharsis.
Die fünf Studenten des Konservatoriums von West Jutland im dänischen Esbjerg verbinden euphorisierende Saxophonchorusse à la Coleman mit eleganten Orgel- und Perkussionseinsätzen, wie sie Miles Davis‘ Mitstreiter auf Miles in the Sky oder Bitches Brew zelebrierten.
Doch die Orientierung des Ært Ensemble an solchen längst schon wieder zu Klassikern avancierten Alben ist nicht nur eine stilistische Reminiszenz, sondern in erster Linie ein Zeugnis ihrer kaum vergänglichen Energie, das man nicht verpassen sollte. MATTHIAS SEEBERG
Dienstag, 21.30 Uhr, Astra-Stube