Kundus-Affäre: Trickserei im Ausschuss
Zum Start streitet der Untersuchungsausschuss übers Verfahren: Wer wird wann gehört und in welcher Reihenfolge? Und wird Guttenberg vor den NRW-Wahlen Auskunft geben?
Der Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Bombardement zweier Tanklaster und vieler Menschen im nordafghanischen Kundus begann seine Arbeit am Donnerstag mit heftigen Verfahrensstreitigkeiten: Welcher Zeuge wird wann gehört? Klar war bis in den frühen Abend lediglich, dass die Sitzungen donnerstags von 14 bis 20 Uhr stattfinden sollen. Auch dieser Punkt hatte Streit ausgelöst, weil die von der Opposition gewünschte Berichterstattung der Medien umso unwahrscheinlicher wird, je später der Ausschuss tagt.
Das Gezerre auf der ersten "Arbeitssitzung" warf erstens die Frage auf, ob der Ausschuss irgendwann einmal sachlich wird klären können, wie es zu dem Luftangriff kam, bei dem auch viele Zivilisten starben, und warum das Verteidigungsministerium diesbezüglich wochenlang Verwirrung stiftete. Zweitens blieb offen, ob es den Oppositionsfraktionen im Bundestag gelingen wird, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor den Untersuchungsausschuss zu zitieren.
Die Verteidigungsexperten, die schon in der vergangenen Legislaturperiode als Untersuchungsausschuss zusammengearbeitet hatten, seien es "anders gewöhnt", klagte SPD-Mann Rainer Arnold. Die SPD ist frustriert, dass die CDU Siegfried Kauder, einen als "Wadenbeißer" bekannten Rechtspolitiker, in den Untersuchungsausschuss entsendet. Damit macht die Union nach Meinung der Opposition deutlich, dass ihr bloß an Verzögerungs- und Verzerrungstaktik gelegen ist. "Wenn die das so machen, dann machen wir das auch so", ergänzte Arnold.
Noch morgens hatte der Grüne Omid Nouripour den Verhandlungsstand dargestellt, wonach es zunächst einige Sitzungen geben werde, in denen nach Willen der Koalition zunächst niedrigrangige Soldaten und Zeugen dazu gehört werden sollen, was am 4. September 2009 in Kundus passiert ist und wie aus dem Lager in die Befehlsstände Masar-i-Scharif, Kabul und Potsdam kommuniziert wurde.
Dann - nach Nouripour ab März - könnten die von der Opposition geforderten politischen Zeugen wie Exverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), zu Guttenberg, dessen Staatssekretäre sowie der entlassene Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gehört werden. "Ungefähr 50 Prozent" der bislang 40 geladenen Zeugen, sagte Nouripour, sollten medienöffentlich gehört werden - auch die Abteilungsleiter im Ministerium. "Guttenberg muss ein Interesse daran haben aufzuklären, was in seinem Hause schiefgegangen ist", so Nouripour.
Das darf bezweifelt werden. Denn am Donnerstag präsentiert die Süddeutsche Zeitung ein Papier aus dem Hause Guttenberg, das diesen weiter unter Druck setzt. Am 6. November hatte Guttenberg erklärt, der Luftangriff von Kundus sei angemessen und unvermeidlich gewesen. Auf den 3. November datiert jedoch laut SZ eine Bewertung des Einsatzführungsstabes des Ministeriums, die all die Fehler des deutschen Oberst Georg Klein unterstreicht, die zu diesem Zeitpunkt auch die Nato schon festgehalten hatte. Klein hatte unter anderem fälschlich behauptet, es gebe "Feindberührung" an dem Flussbett, in dem die beiden Tanklaster festsaßen, um deren Bombardierung notwendig erscheinen zu lassen. Das Papier aus dem Einsatzführungsstab lässt die Frage umso dringender erscheinen, wie Guttenberg zu seiner Einschätzung vom 6. November kam und auf welcher Grundlage er sie einen Monat später revidierte.
Die SPD-Führung bekräftigte unterdessen, dass sie eine Aufstockung der Truppen in Afghanistan ablehnt. SPD-Verteidigungsexperte Arnold hatte am Mittwoch angedeutet, man wolle sich militärischen Notwendigkeiten nicht verschließen. Doch Parteichef Sigmar Gabriel erklärte am Donnerstag: "Wir wollen auf gar keinen Fall zusätzliche Kampftruppen haben, wir wollen die Ausbildung verstärken, wir müssen irgendwann aus Afghanistan raus." Bis dahin müssten die Sicherheitskräfte in Afghanistan verstärkt ausgebildet werden, sagte er. Die SPD wolle, dass zusätzliche Ausbilder aus dem Kontingent der 4.500 Soldatinnen und Soldaten gestellt werden.
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