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Kundgebung gegen Berliner FemizidPatriarchale Gewalt kennt keine Herkunft

Kommentar von Johanna Weinz

Eine kommunisitsche Jugendgruppe gedenkt einer jungen Frau aus Marzahn. Der Ex-Partner soll die 27-jährige Anfang des Jahres umgebracht haben.

Kundgebungen gegen Femizide gibt es leider immer wieder – Wie hier im August in Friedrichsfelde Foto: dpa | Fabian Sommer

D ass sich am Mittwochabend bis auf den gewöhnlichen Einkaufstrubel nichts Weiteres auf dem Platz vor der Eastgate Mall in Marzahn regt, scheint zwei Polizisten etwas nervös zu machen. Sie laufen um das Gebäude, suchen die angemeldete Kundgebung „Mann tötet nicht aus Liebe – wir lassen kein Femizid unbeantwortet“, die an Hồng S. gedenken soll. Die 27-Jährige ist die erste Frau in Berlin in diesem Jahr, die aufgrund ihres Geschlechts ermordet wurde – ein Femizid. Deutschlandweit wurden bereits sechs Fälle seit Jahresanfang gezählt. Aufgerufen hatte die kommunistische Kleingruppe Internationale Jugend.

Acht junge Mitglieder der Gruppe versammeln sich dann doch noch auf dem Platz. Neben roten Fahnen halten sie Blumen und Grabkerzen in ihren Händen.

„Liebe Genossinnen, liebe Passant:innen, danke, dass ihr gekommen seid. Zum einen gedenken wir, zum anderen trauern wir“, eröffnet eine Rednerin die Kundgebung und beschreibt den Mord an S.: Am 25. Januar soll ihr Ex-Partner ihr in ihrem Wohnhaus in der Marzahner Chaussee aufgelauert haben und im Fahrstuhl mehrmals auf sie eingestochen haben. Kurz nachdem An­woh­ne­r:in­nen sie gefunden haben, starb die junge Frau an den Folgen der Verletzungen. Der mutmaßliche Täter befindet sich in Untersuchungshaft.

Über Hồng S. wird nicht viel mehr erzählt. Gekannt habe sie niemand von den Veranstaltenden. Über den Femizid hätten sie von Polizei und Medien erfahren, so ein Mitglied zur taz. Eigentlich sollte die Kundgebung auch in der Nähe ihres Wohnhauses in der Marzahner Chaussee stattfinden. Aus Respekt vor den Angehörigen sowie aufgrund von Sicherheitsbedenken wurde sie spontan etwas weiter weg auf den öffentlichen Platz verlegt.

Wenig Teilnahme

„Patriarchale Gewalt kennt keine Hautfarbe, Religion oder Herkunft“, heißt es immer wieder, „und wenn Männer denken, sie seien mehr wert als Frauen, dann kommt es zum Femizid. Wir werden so lange stehen, bis wir den Tod des Patriarchats feiern und nicht mehr den Tod von Frauen betrauern.“ Immerhin ein Mann hört ein paar Meter entfernt zu.

Die jungen Kommunisten verteilen Flyer, um über das Thema aufzuklären. Unter den Passant:innen, die stehenbleiben, sind auch eine Mutter mit ihrem neunjährigen Sohn. „Kann ich auch einen Flyer haben?“, fragt der Junge. Das Wort Femizid kennt er. „Das mit dem Fahrstuhl, das habe ich schon gehört“, sagt er. „Ich finde das sehr schlimm.“

Nach einer Stunde ist die Kundgebung vorbei, nur die mitgebrachten Kerzen, Blumen und kleinen, beschriebenen Pappschilder bleiben auf dem Platz zurück. Drei junge Pas­san­t:in­nen nähern sich dem Gedenkort und bleiben davor stehen. Eine von ihnen liest laut die spanischen Worte auf dem Pappschild: „Ni una menos“ – Nicht eine weniger.

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Hat Geographie und Germanistik in Freiburg studiert. Begeistert sich besonders für Klimafragen, soziale Gerechtigkeit und Literatur.
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