AN DER WURSTTHEKE : Kundengespräche
Sobald wir auch nur in die Nähe der Wursttheke in der Markthalle kommen, wird mein Kind nervös. Wie das Klingeln der pawlowschen Glocke bei seinen Hunden den Speichelfluss initiierte in freudiger Erwartung auf das sichere Leckerchen, so bekommt meine Tochter schon glänzende Augen, sobald wir die Wursttheke ansteuern, in freudiger Erwartung auf die Scheibe Mortadella, die es immer von einer der freundlichen Wurstdamen für sie gibt.
Heute ist nur eine der Damen hinter der Theke, und sie bewegt sich in Zeitlupe. Vor mir sind drei Männer dran. Der gerade Bediente macht offensichtlich seinen Monatseinkauf an Wurstwaren. Der Mann direkt vor mir tippelt nervös mit seinen Fingern am Thekenglas. Sein Blick fällt auf meine Tochter, dann sieht er mich an und lächelt. Meine Tochter hat begonnen, die Glasfront der Theke abzulecken.
Hinter mir steht jetzt ein weiterer Mann. „Isst die Kleine schon Wurst?“, fragt er. „Klar“, sage ich. „Ich esse lieber Datteln“, sagt er und hält mir eine Tüte Datteln unter die Nase. „Was machen Sie dann an der Wursttheke?“, will ich ihn fragen. „Will die Kleine auch eine?“, fragt er. Ich schüttle den Kopf.
Die Wurstdame bedient den nächsten Kunden, hält in ihrer Bewegung inne und fragt: „Ist hier einer von Ihnen handwerklich begabt?“ Der Mann mit den Datteln hinter mir verdreht die Augen, der Kunde, der gerade dran ist, erbarmt sich und verschwindet hinter der Theke. Meine Tochter versucht jetzt mit ihren Nägeln ein Loch in die Scheibe zu kratzen.
Gefühlte Stunden später geht es weiter. Endlich ist der Herr vor mir dran. „Ich habe ganz vergessen, was ich wollte“, sagt er freundlich. „Lassen Sie mich mal nachdenken“, sagt er und zwinkert mir verschmitzt zu. Der Herr mit den Datteln hinter mir schaut ihn verblüfft an und sagt: „Witzig! Ich bin auch eher so wie Sie.“ MAREIKE BARMEYER