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Kunden lieben Pappe statt Plastik

Rote Zahlen bei den deutschen Kunststoffherstellern; die Autoindustrie kauft weniger Plastikstoßstangen, und bei den Verpackungen tritt Papier zunehmend in Konkurrenz zum Plastik  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Der Verband Kunststofferzeugender Industrie (VKE) erheischt Mitleid. Der Verbandsvorsitzende Albrecht Eckell sprach gestern vor der Presse von einer „tiefen Krise“ bei den Plastikherstellern. Die insgesamt 55 deutschen Kunststoffproduzenten mußten 1992 Verluste von annähernd 600 Millionen Mark hinnehmen. Der Umsatz ging um 3,5 Prozent auf rund 24 Milliarden Mark zurück. Bei den Plasten und Elasten aus Schkopau, Leuna und Schwarzheide sind bezogen auf den Produktionswert sogar Einbußen von 32 Prozent zu vermelden.

Da für 1993 keine Besserung in Sicht ist, sollen tausende Arbeitsplätze bis Ende 1994 gestrichen werden. Der Industrieverband nahm die schlechten Bilanzen zum Anlaß, gegen strengere Umweltauflagen zu wettern. „Es gibt hier keinen Spielraum mehr, wenn man nicht noch weitere Arbeitsplätze verlieren will“, drohte Eckell. Über die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland werde nachgedacht.

Vor allem den Preisverfall bei den Standardkunststoffen wie Polyethylen, PVC oder Polystyrol machte Eckell für die happigen Verluste der Branche verantwortlich. Billigimporte aus Asien und Osteuropa drückten auf die Preise. Zugleich sinke die Nachfrage – eine Folge der Rezession, denn vor allem bei so wichtigen Abnehmern wie der Auto- und der Elektroindustrie läßt sich immer weniger Kunststoff absetzen.

Für UmweltschützerInnen besteht aber dennoch kaum Anlaß zu frohlocken. Die Umsatzeinbußen bei den Plastikherstellern gingen 1992 nämlich nicht auf einen Rückgang der produzierten Mengen zurück. Fast 10 Millionen Tonnen Kunststoffe wurden hergestellt; 2 Prozent mehr als im Vorjahr. Erst im laufenden Jahr ging der Ausstoß an Kunststofferzeugnissen tatsächlich auch zurück: um 10 Prozent in den ersten drei Monaten.

Die Verpackungsverordnung hat zweifellos einen kleinen Beitrag zum Schrumpfen der Branche geleistet. Nach Angaben des Dualen Systems Deutschland (DSD) ist der Kunststoffanteil bei den Verpackungen von 40 auf 27 Prozent zurückgegangen. Bei einem Zehntel der Verpackungen würde Kunststoff von Papier ersetzt. Umverpackungen, die die KäuferInnen im Laden lassen können, sind tatsächlich etwas weniger aufwendig geworden, und auch bei den Transportverpackungen gibt es jetzt immer öfter Mehrwegsysteme.

Nach Meinung von Thomas Lenius, Chemiereferent des BUND, hat der Grüne Punkt vor allem in einer Hinsicht Erfolg gehabt: Vielen VerbraucherInnen sei es durch das Aussortieren des Verpackungsmülls in die gelben Säcke erstmals bewußt geworden, wie groß der Anteil der Verpackungen am gesamten Müll sei. In der Folge habe das Image von übermäßig verpackten Produkten gelitten. Vor allem das als umweltschädlich gescholtene PVC wird von immer mehr VerbraucherInnen abgelehnt.

Für die Hersteller von Standardkunststoffen bedeutet diese Entwicklung eine deutliche Umsatzeinbuße. 21,5 Prozent aller Kunststoffe würden für die Herstellung von Verpackungen verwendet, sagt die Industrie. Im Bausektor wird heute ein Viertel des deutschen Plastiks verbraucht, in der Elektroindustrie rund 15 Prozent. Sieben Prozent landen in den bundesdeutschen Autos.

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