: Kulturzentrum Sozialamt
■ „Volkshaus“ testet einen Tag die Öffnung zum Stadtteil: Vom Kino bis zur Beerdigung
Gezaubert wird im Bremer Sozialamt normalerweise nicht. Doch als das Waller „Volkshaus“, Sitz des „Amtes für Soziale Dienste, Bezirk Mitte- West“, gestern zum „Tag der Offenen Tür“ lud, gab es zwischen verstaubten Aktenschränken und polierten Personalcomputern auch allerlei Magie zu sehen. Ein echter Zauberer war eigens gekommen, um Kindergruppen, Schulklassen und einige verstreute EinzelbesucherInnen zu beeindrucken.
„Dieser Tag der Offen Tür ist für uns ein Test, wie man das Volkshaus wieder zu einem Kulturzentrum des Stadtteils machen kann“, sagt Herbert Wiedermann, seit Anfang dieses Jahres neuer Amtsleiter und gewählter Chef aller Bremer Sozialämter. Er möchte damit an die Tradition anknüpfen, die das Volkshaus vor der Nazi-Zeit hatte.
In den ersten fünf Jahren nach seiner Einweihung 1928 nämlich war das Volkshaus nicht nur Sitz der Bremer Gewerkschaften, Versammlungssaal und Streikgeld-Zahlstelle, sondern verfügte auch über einen Kino-Saal, eine Bibliothek und verschiedene Räume, in denen auch mal die Arbeiterjugend ihren Tanzabend veranstalten konnte. Sogar das gemeinnützige Beerdigungsinstitut GeBeIn hatte dort seinen Sitz.
Zwei der schönsten Räume im Erdgeschoß des Volkshauses mit Fenstern zur Außenfront und zum Innenhof sollen künftig wieder für Stadtteilkultur zur Verfügung stehen.
Vorher muß allerdings noch das Lager an verleihbaren Gruppenzelten, das sich dort seit einigen Jahren breitgemacht hat, einen neuen Platz finden. „Wenn wir soweit sind, geht das Angebot auch an freie Musik- oder Theatergruppen, hier einen Raum zum Üben oder für Vorstellungen zu belegen“, verspricht Amtsleiter Wiedermann.
Besonders gut geeignet sind die Volkshaus-Räume dann für 60er-Jahre-Revivals. Versprüht doch das ganze Haus vom blaßroten Linoleum-Fußboden über den hölzernen Paternoster bis zu den ellenlangen Behördenfluren mit ihren Stahlrohr-Sitzmöbeln den heruntergekommenen Charme der Zeit von Perlon und Rock'n Roll. Und dieser Look wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Waren doch schon in der Vergangenheit MitarbeiterInnen mit Farbtöpfen gesichtet worden, die ihre Büros eigenhändig und an der Verwaltung vorbei renovierten. Wiedermann: „Versuchen Sie mal, in Bremen einen Renovierungsantrag durchzubekommen.“
Um ausbleibende Kundschaft muß sich das „Volkshaus“ zumindest keine Sorgen machen. „Wenn die Arbeitslosenhilfe tatsächlich im nächsten Jahr auf zwei Jahre begrenzt wird, rechnen wir allein in unserem Bezirk mit 3.000 bis 5.000 neuen Sozialhilfeempfängern“, sagt Amtsleiter Wiedermann.
Doch gestern tobte zum Test- Tag der Offenen Tür zunächst noch einmal die Jugend der 90er Jahre durch die langen Flure. Von der Rock-Band über die Video-Gruppe bis zur Computerspiel-Gruppe zeigten die West- Bremer Freizeitheime, was bei ihnen los ist. Ase
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